Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt. Tageblatt Annaberger Wochenblatt. Hauptzeitung des Obererzgebirges. Nr. 51. 130. Jahrgang. 27. Dezember 1936. S. 1 – 2.
Seit Ahnenzeiten ist deutsche Weihnacht das Fest strahlenden Lichtes. Jul ist den Germanen das hohe Fest der Wintersonnenwende, das allbelebende Sonnenrad steigt nun wieder in täglich sich vergrößerndem Bogen am Himmel aufwärts, dem lichten Lenz, dem holden Mai entgegen. Urzeitalt ist der Brauch, in den zwölf Nächten die Ebereschen mit Lichtern und Äpfeln zu schmücken. Wintersonnwendfeuer leuchten von den Höhen. Feuerräder rollen zu Tal. Am brennenden Julklotz werden die ausgelöschten Herdfeuer wieder entzündet. Strohfackeln leuchten aus den heiligen Hainen. Frauen und auch schwertgegürtete Männer befragten in der Neujahrsnacht auf dem Hausdach mit brennendem Holzscheit das Schicksal. Auf Gräbern und an Kreuzwegen, dem Lieblingsaufenthalt der abgeschiedenen Seelen, werden Lichter angezündet. So leuchten uns Lichter und Feuer aus mehreren Jahrtausenden deutscher Weihnachtsgeschichte entgegen. Und von reichem Lichterglanz umstrahlt ist Weihnacht bis in unsere Zeit geblieben, auch wenn das Fest nicht mehr Baldur und Wotan, sondern Jesu Christ, dem christlichen Lichtträger in alle Herzen, geweiht ist!
Besonders strahlend leuchten Weihnachtslichter über dem verschneiten Erzgebirge, dem sitte- und brauchreichten deutschen Weihnachtsland, das in seinem Gemütreichtum treu und zäh an seinen alten, schönen Weihnachtssitten festhielt. In hellem blauem Feuer strahlt hier der Weihnachtsstern in den Adventsnächten über den Bergwäldern und wird zum Wegweiser in dieses deutsche Weihnachtsland. Das seit Silberbergzeiten schnitzgewandte Erzgebirge schuf sich seine eignen weihnachtlichen Lichtträger in Gestalt der holzgeschnitzten Bergleute und Lichterengel, die Weihnachtskerzen in den Häusern tragen und mit märchenhaftem Schein in die erzgebirgische Weihnachtszeit leuchten. Sie fehlen wohl in keinem rechten Erzgebirgshaus, diese Lichtträger. Reihenweise stehen sie auf den Fenstersimsen, wenn die Erzgebirger von ihrer Lichtermetten heimkehren.
Die „Heiligabendkerze“ geht um den mit dem „Neunerlei“ bedeckten Weihnachtstisch im Familienkreise reihum. Ihr Kerzenschein gilt als schicksalbedeutend. Strahlende Lichterhelle schmückt die Weihnachtspyramiden. Die aufsteigende Wärme der zahlreichen Kerzen bringt die meterhohen Pyramiden zum Drehen und vor uns wandern unentwegt Maria und Joseph und das Christkindlein, herodische Kriegsknechte und eine schneidige erzgebirgische Bergparade vorüber.
Die ganze weihnachtliche Lichterhelle leuchtet uns aus den feierlichen Lichtermetten erzgebirgischer Mettenkirchen entgegen. In Seiffen, dem alten Zinnbergdorf und Spielzeugparadies, wo in jeder Spielzeugschnitzerhütte das Märchen wohnt, wird die Metten in der Heiligabenddämmerung gefeiert. Ein Kranz von Öllämpchen leuchtet von dem Turmumgang des barocken Mettenkirchleins. Und die Spielzeugschnitzerjugend wandert mit ihren selbstgeschnitzten Mettenlaternchen, die einen wundersamen Märchenschein auf den verschneiten Wegen und Stegen verbreiten, zur Metten, und stellt sich mit den bunten Laternchen am Altar auf.
Schneeberg feiert seine Lichtermetten schon seit einem halben Jahrtausend in seinem stolzen Bergmannsdom St. Wolfgang, der von zahllosen Kerzen erleuchtet wird in der Christmorgenfrühe fünf Uhr, wenn das feierliche Turmglückauf vom hohen Turmumgang über dem Weihnachtsstädtlein in der Tiefe verklungen ist. Licht, eine Ueberfülle Licht erglänzt in dieser Metten seit Mittelalterzeit, wo die Bergleute mit ihren Grubenlichtern in die Metten wanderten. Auf den Emporen wurden diese Grubenlichter aufgestellt, während die Frauen im Schiff drunten die Mettenlichter auf die Bänke stellten und fleißig schürten. Nach den Worten des Chronisten hat „die eitle und allerley Illumination liebende Jugend wohl ehemals Pyramiden aus lauter Lichtern aufgebaut, welches alles verursachet, daß die Leute von fernen Orten und aus der Nachbarschaft diese Metten ihrer Solennität halber besucht haben, obwohl nicht alle die darauf erfolgte Predigt hören und auswarten mögen …“ So ist es bis zum heutigen Tag geblieben, trotz eines einmaligen Verbotes der Metten hat sie alle Fährnisse glücklich überstanden. Und auf dem Heimweg von der Metten sind die krummen Berggassen von weihnachtlichem Glanz erfüllt, denn reihenweise sind an den Fensterstöcken Lichterengel, Bergmannsleuchter und Mettenlichter aufgestellt und spiegeln die Fenster die Kerzenpracht der Permetts, Krippen und Christbäume in den Stuben.
So leuchten die Weihnachtslichter über dem Erzgebirge. Hier ist Weihnacht wahrhaft das Lichterfest, das die Armut der treuen Erzgebirgler überstrahlt im reichen Glanz der Weihnachtskerzen.
Konrad Haumann.