Kultur und Heimat Kreis Annaberg. 5. Jahrgang. März 1958. S. 38 – 39.
Vor Jahren zeigte ein junger Bauer seinem ebenfalls jungen Besuche aus der Stadt den Kuhstall, den Stolz jedes Bauern. „Do sei de Küh“, sagte er, „die stinne alle ganz gut in Futter.“ „Was heißt denn das?“ fragte das Stadtfräulein. „Inuh, mir gabn `ne genung ze frassen, un dos sieht mer fei aah. Na, un do sei de Ochsen un dar do, in der Eck, dos is der Stier.“ „Was ist denn das, der Stier?“ fragte das naive Fräulein. „Inuh, wie sog iech dä geleich“, sagte der Bauer etwas zögernd, „dos is ganz aafach, de Ochsen, die ginne mit uns aufs Fald erbtn, der Stier blebbt drhamm, dar hot annere Arbit.“ Das Fräulein verstand und errötete leicht. Der junge Bauer hatte sich gut aus der heiklen Lage gerettet.
In der Mundart des Erzgebirges kennt man den Unterschied dieser Art noch nicht allzu lange. Der Ochse ist das brave Zugtier, das auf den steilen Äckern das Pferd oft übertrifft, aber auch der Zuchtochse. Das Wort Bulle ist der Mundart fremd, vor allem der älteren. Stier ist eher noch üblich, häufig gebraucht waren früher der Brummochs und der aus dem Mittelhochdeutschen stammende Rammelochs. Damit wären wir eigentlich beim Thema dieser kurzen Betrachtung: Ochsenwiesen und Ochsenstall in der heimatlichen Namenwelt. (Vgl. dazu diese Zeitschrift, März 1957, „Unbestrittene Tatsachen im Fichtelberggebiet“.)
In allen Orten des Kreises, Dorf und Stadt, kommt als Beleg des früheren mehr bäuerlichen Charakters der Heimat und zugleich als Beweis des starken genossenschaftlichen Charakters der Bauernschaften der Flurname Ochsenwiese, Ochsenstall vor, hier und da auch Rindswiese, gelegentlich auch Brummochsenwiese oder –acker (Scheibenberg 1842) oder Rammelochsenwiese (Wiesa 1842) genannt. Gemeint ist damit die Wiese, die dem Halter des Gemeindezuchtochsen als fester Besitz oder als Besitz der Gemeinde zur jeweiligen Nutzung zustand, und zwar als Weide für den Stier oder als Wiese. Die Ochsenwiese als Weide war selbstverständlich fest eingezäunt, oft mit einem kleinen Stall versehen. In größeren Orten, wie Sehma, Schlettau u. a., gab es mehrere solcher Wiesen, bis zu vieren. Das Neudorfer Flurbuch von 1810 spricht von „einem Erbraum, der Ochsenraum genannt“ – er lag im Walde – der Besitzer dieses Erbraumes wäre „bereits zu Schönburgischen Zeiten zur Haltung des Gemeinderindes verpflichtet“ gewesen. In Sehma lag eine Ochsenwiese auf dem Anger an der Sehma, also mitten im Dorfe. Der Buchholzer Bahnhof liegt auf einer ehemaligen Ochsenwiese, die zweite war bis 1900 der Schützenplatz (was ist das? D. Red.), nur in Geyer ist sie als Gemeindebesitz bis in die Gegenwart Weide der Bullengenossenschaft. Andere Gemeinden haben sie schon lange aufgeteilt, so Herold bereits 1794 – zum Bau von Kleinhäusern. Crottendorf spricht 1835 von der „ehemaligen Gemeinde- oder Ochsenwiese“. Tannenberg hat einen Sportplatz daraus gemacht.
Ein Annaberger Akteneintrag von 1639 spricht von einer „Scheune gegenüber dem Hospital, der Ochsenstall genannt“. Hier ist der Stall einwandfrei ein Gebäude, während das Wort Stall oder Stallung früher nicht nur das Gebäude meinte, sondern auch die Weide mit oder ohne Stall. Im Jagdwesen verstand man früher unter Stallung den Platz im Walde, wohin das Wild durch die Treiber getrieben wurde, damit es den feudalen Jagdgästen „schußgerecht“ war. Die alten kurfürstlichen Jagdkarten von 1570 heißen deshalb „Jagdstallungen“. Schiffners Handbuch von 1839 erwähnt in Schlettau das Kammervorwerk „Ochsenstall“, das „vor 250 Jahren landesherrlich gewesen sein soll“, also vor 1600. Es könnte das heutige Rubnergut sein auf dem Schottenberg, der ja ehedem eine große Weide für Schlettau und Frohnau gewesen ist. Der Name „Ochsenstollen“ könnte daran erinnern.
Wie steht es nun mit dem Ochsenstall im Fichtelberggebiet, von dem H. Lange spricht? Die Karten irren nicht, es gab nicht nur einen, sondern mindestens zwei.
Der erste lag einwandfrei nördlich von Gottesgab, am Lauterseifen, etwa in Abt. 59/60 des Forstreviers, so wie ihn Schenks Atlas von 1775 zeigt, ebenso Lehmann ihn in seinem „Schauplatz“ (1699, S. 128) erwähnt. Die älteste Erwähnung im Forstbuch von 1560 lautet „bey dem Ochsenstall“, die „Holzordnung“ von 1560 (eine Art Waldordnung) erwähnt „die Huthweide uf vier Rindes Haupt, ufm Fichtelberg, bey dem Ochsenstall“. Die „Crottendorfer Wälde“ v. 1602 bestimmen einen Weg „an der Gulden Höhe hin über den Ochsenstzall, nach der Schnauderwiesen“ (Schlauderwiese!); Öder zeigt 1608/10 den „Ochsenstall“, dabei ein kleines Häuslein. Schon um diese Zeit muß der Stall selbst verfallen sein, das sogenannte Öder-Zimmermannsche Vermessungsjournal (die Vermessungsnotizen in kleinen Zetteln – jetzt im Landeshauptarchiv Dresden) sagt: „allhier in der Ochsenweyde, … da der alte Ochsenstall gestanden.“ Die letzte Erwähnung vor Schenk bringt die sogenannte Nienburger Karte von 1723/24, sie zeigt an der Stelle „eingefallner Ochsenstall“.
Dieselbe Holzordnung von 1560 bringt auch für Unterwiesenthal eine „Ochsenweyde, so zum Ochsenstall gehörig“. Er liegt an der Großen Mittweida, unterhalb der Wurzelbergbrücke, wo ihn das Meßtischblatt und die späteren Karten übernehmen konnten, da er nicht eingegangen war.
Es gab also zwei. Warum der obere Stall eingefallen ist, darüber gibt ein Akteneintrag Bescheid. Die Weide konnte nur im Sommer und auch da nur unsicher benutzt werden. Zeitige Winter, plötzliche Schneefälle machten es dem Hirten unmöglich, sich da oben zu behaupten. Von der Versorgung abgeschnitten, konnte er sich nicht halten.
Konrad Rösel, Riesa a. E.