In Bärenstein wird wieder Bier gebraut.
Kurzreportage über die Herstellung des Gerstensaftes
Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt. Tageblatt Annaberger Wochenblatt. Hauptzeitung des Obererzgebirges. Nr. 50. 132. Jahrgang. 11. Dezember 1938. S. 5 – 6.
In einer behaglichen Gaststätte sitzt du vor einem Schoppenguten Bieres. Du läßt es Dir schmecken. Hand aufs Herz: Hast Du Dir mal dabei Gedanken darüber gemacht, daß für die Herstellung des Bieres, so wie Du es in Deinem Gläschen vorfindest, verschiedene und langwierige Produktionsprozesse notwendig sind?
Aus der Geschichte des Brauwesens.
Blättern wir zurück in der Geschichte des Brauereiwesens, so lesen wir, daß die Herstellung von Bier bereits den alten Aegyptern nicht unbekannt war. Seine Bereitung zeigen zahlreiche Reliefs und Statuetten. Das Bier der ältesten Zeiten war aus gemälzten oder ungemälzten Zerealien (Hirse, Gerste, Weizen, Hafer) bereitet, oft unter Zusatz von Honig, Wacholder, Pilzen oder Baumrinde, jedoch ohne Hopfen. 65 n. Chr. wird Hopfen zwar schon erwähnt, doch herrscht Dunkel darüber, ob man alkoholische Getränke damit würzte und haltbar machte. Erst um das 8. Jahrhundert wird Hopfen in Deutschland gezüchtet und im Jahre 1070 wird der Hopfen zur Bierbereitung genannt. Die Pflege des Brauwesens lag im Mittelalter bei den Klöstern und Städten. Die älteste bekannte Brauordnung stammt aus Augsburg (1155). Die Hansestädte Hamburg und Danzig trieben schon im 14. und 15. Jahrhundert einen lebhaften Bierexport. Damals hatte fast jede norddeutsche Stadt ihre Bierspezialität. Bier wurde das Getränk aller Stände: Vielfach wurde sogar die Ableistung von Strafen und Bußen in Bier festgesetzt. Der Dreißigjährige Krieg als auch die Vorrechte bestimmter Kreise der Bürgerschaft auf das „Bierurbar“ und die Gepflogenheit des „Reihebrauens“, das in vielen deutschen Städten zur Gründung bestimmter bürgerlicher Bräuhäuser führte, zogen für die Brauereien eine rückläufige Tendenz nach sich.
Zu neuer Blüte kam das Braugewerbe in Bayern. Der Ruf des bayerischen Bieres beruht auf einem Verbot des Landtages aus dem Jahre 1516, etwas anderes als Gerste, Hopfen und Wasser zum Brauen zu verwenden. Das Brauwesen war damals landesherrliches Regal. 1614 berief der Kurfürst einen Braumeister, der Bier nach Einbecker Art (hier ist wahrscheinlich die Bezeichnung Bockbier herzuleiten) brauen sollte. Waren frühere Biere sämtlich obergärig, so wurden die bayerischen Biere stets nach dem auch jetzt vorherrschenden untergärigen Verfahren hergestellt. Erst durch die Einführung des maschinellen Betriebes, die Entwicklung der technisch-wissenschaftlichen Forschungen und nach Aufhebung der Bann- und Zwangsrechte hat das deutsche Braugewerbe den Aufschwung genommen, der seinen Weltruf begründete. Deutschland war die Hauptpflegestätte der Bierbrauerei geworden und ist es geblieben.
Das Brauwesen in unserer engeren Heimat
Das Brauwesen in unserer engeren Heimat beschränkte sich bis vor kurzer Zeit auf drei Betriebe in der Nachbarstadt Buchholz, Ehrenfriedersdorf und den Kurort Oberwiesenthal. Am 1. Dezember gesellte sich zu ihnen die Brauerei Bärenstein, die Wenzel Kuhn zum Gründer hatte und im März 1939 acht Jahrzehnte besteht. Wir wollen hier nicht die Geschichte der Kuhnschen Brauerei aufrollen, die im Laufe der Jahrzehnte einen schönen Aufschwung nahm, um dann für etliche Jahre den Betrieb einzustellen. Sie hat jetzt ein neues Blatt ihres Betriebes aufgeschlagen.

Der erfahrene Braumeister der Brauerei Bärenstein führte uns hinauf in das höchste Stockwerk. Hier liegen, möchte man sagen, die Anfänge des langen Produktionsprozesses. Wir wollen vorausschicken: die Herstellung des Bieres erfolgt in drei Hauptstufen: Malzbereitung, Gewinnung der Würze und Vergärung der Würze zum Bier. Bei der Schrotmühle geht es also los. Die Gerste wird einem sogenannten Mälzprozeß unterzogen. Das Mälzen umfaßt das Putzen und Sortieren der Gerste, das Weichen, Keimen und Darren der gekeimten Gerste. Das entstehende Produkt ist Malz. Die Beschaffenheit des Malzschrotes ist für den Läuterprozeß und die Extraktausbeute sehr wichtig. Das geschrotete Malz wird dem Sudprozeß unterworfen. Hier kennt der Brauer wieder 3 Arbeitsvorgänge, das Maischen, das Läutern und Würzekochen, dem das Sudhaus mit dem Maischbottich, dem Läuterungsbottich und der Würzepfanne dient. Der Läuterbottich ist versehen mit einer Kupfersiebplatte, über die die Würze in die Würzemulde und in die tiefer liegende Würzepfanneabgefiltert wird. Zum Auslaugen der Rückstände, Treber bezeichnet, benutzt man ein Drehkreuz oder eine Schwimmkiste. Die beim Maischen in Lösung gehenden Stoffe nennt man den Extrakt, die wässrige Lösung des Extraktes die Würze. Die Kunst des Maischens gipfelt in der Herstellung der dem Charakter des zu erzeugenden Bieres entsprechend zusammengesetzten Würze. Für die Maischarbeit sind viele Verfahren möglich. Jeder Brauer wird das für ihn praktische verwenden und wird es wie eine Art Geheimnis wahren. Es würde zu weit führen, die einzelnen Arbeitsvorgänge mit dem Kochen, Abziehen des Sudes (Dickmaische), Zurückführen in den Maischbottich usw. zu erläutern. In einem Kochprozeßwerden 100 Hekto bearbeitet. Zwischendurch wird der Hopfen zugesetzt. (Bärenstein verwendet zum größten Teil den bekannten Saazer Hopfen auf Grund eines früheren Privilegs.) Das Kochen mit Hopfen dauert etwa zwei Stunden. Ueber Hopfensaier und Kühlschiff gelangt das Gebräu nach den Gärbottichen. Durch den Gärungsvorgang, der durch den Zusatz der Hefe erzeugt wird, erfolgt die Umwandlung der Würze in Bier. Die Hauptgärung dauert etwa 8 Tage. Ist das Bier dann „schlauchreif“, wird es vom Gärbottich auf Lagerfässer geschlaucht. Die Nachgärung dauert etwa 8 Wochen. Ist es dann ausgereift, wird das klare und trinkbare Bier in Holzbottiche oder Tanks geleitet, aus denen es dann in den sogenannten Abfüllraum gelangt.


Wir haben uns alle Abteilungen angesehen, das Sudhaus, den Gärkeller, die Tankanlagen, ließen uns aufklären über den Zweck der modernen Kühlanlagen, hörten, daß der ganze Betrieb elektrifiziert ist, daß die Dampfmaschine nur für den Brauprozeß selbst in Tätigkeit tritt und sonst für das Herüberpumpen des Wassers aus Cranzahler Flur durch eine 1300 Meter lange Leitung erfolgt, zu dem zwei Quellwasser aus dem Bärenstein dazu kommen. Wir warfen einen Blick in einen riesigen Eiskeller. Alles in allem: die Herstellung des Bieres in den verschiedenen Stufen war uns Männern der Feder sehr interessant und aufschlußreich und wird auch das Interesse unserer Leser finden.
M. S.