Kultur und Heimat Kreis Annaberg. 6. Jahrgang. Mai 1959. S. 77 – 78.
Um 1470 tönte die Kunde von mächtigen Silberfunden bei Schneeberg durchs Land. Unerhörter Silbersegen tat sich auf. Ein fieberhaftes Schürfen nach Silbererzen setzte im Gebirge ein. Es wurde von den Landesherren tatkräftig gefördert, da deren starkes Geldbedürfnis und die sich entwickelnde kapitalistische Wirtschaftsweise zu besonderer Belebung des Bergbaues drängte.
Die großartige Entwicklung des Bergbaues in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im sächsischen Erzgebirge wurde durch die Beteiligung von Fremdkapital wesentlich unterstützt. Das große Berggeschrei, das mit Schneeberg anhub, trug eine neue zweite Siedlerwelle herauf ins Gebirge. Von allen Seiten eilten die Knappen herbei. Um die reichen Fundstellen ballten sich die Menschen zusammen. Neue Bergstädte krönten den Gebirgskamm: 1472 Schneeberg, 1496 Annaberg, 1501 Buchholz, 1516 Joachimsthal, 1521 Marienberg, 1527 Wiesenthal, 1532 Platten und Gottesgab.
Das Bergstädtchen Scheibenberg entstand 1522 „auf wilder Wurzel“. Um diese Zeit gehörte das Waldgebiet um den Scheibenberg zum oberwäldischen Teil der Grafschaft Hartenstein, Besitz der Grafen von Schönburg. Sie erstreckte sich bis hinauf zum Fichtelberg.
Bereits 1478 wurde am Scheibenberg die Zeche „Maria Magdalena“ vom Dorfe Scheibe aus betrieben, wo schon auf dem „Vater Abraham“ emsig geschürft wurde. Der Silberbergbau am Scheibenberg blühte erst auf, als am Montag nach Aegidi (= 3. September 1515) der Bergmeister des Grafen von Schönburg, Hans Hünerkopf in Elterlein, dem Fundgrübner Kaspar Klinger aus Elterlein eine Fundgrube als Erbstollen gerichtlich eintrug. Ein Jahr später berichtete Matthes Busch, der Bergvogt von Buchholz, dem Kurfürsten, daß am Scheibenberg gegraben werde und daß der Bergmeister Hünerkopf dem ersten Fundgrübner Klinger die Grube ganz oder zum Teil wieder genommen habe. Am 13. Februar 1517 schrieb Ernst von Schönburg seinem Landesherrn, dem Herzog Georg von Sachsen, daß er den alten Stollen wieder belegen lassen wolle. Der Herzog empfahl zu warten, bis der Schnee weg wäre.
Klinger fand im Scheibenberger Waldgelände neue Silberadern, so daß bereits 1517 die Bergleute den Scheibenberg „Silberberg“ nannten. Der Bergbau ließ sich also recht gut an, obgleich er auf besondere Schwierigkeiten stieß.
Über fünfhundert Örter mußten angelegt werden, Tagschächte und Stollen nicht eingerechnet, schreibt Christian Lehmann. Das Silbererz wurde zwar nicht mächtig gebrochen. Weil es aber reich und körnig war, gewährte es anfangs gute Ausbeute und wurde auch teurer bezahlt als die Erze der Nachbarschaft.
Geschmolzen wurden die Erze zunächst in Elterlein und in Annaberg. Später baute man eine eigene Schmelzhütte an der Miepe (Mittweida), für die die Gemeinde 1559 zinsen mußte.
Der Silberbergbau war nicht unbedeutend, und die junge Stadt Scheibenberg genoß wegen des reichen Silbersegens besonders das Wohlwollen seiner Gründer. Soll doch von 1522 bis 1539 die Ausbeute 78 Zentner 19 Pfund 23½ Lot betragen haben. Die Grafen von Schönburg erhielten davon als Zehnten 41.895 Gulden (Das sind heute etwa 3½Millionen Mark.) Von 1533 ab mußten die Schönburger 2/3 des Zehnten dem Kurfürsten abtreten. Welche Riesengewinne brachte der Bergbau den Grund- und Landesherren!
Man bedenke, daß damals der Pfarrer und der Stadtschreiber als bestbezahlte Personen Annabergs je 100 Gulden jährlich erhielten, die heute etwa 8000 DM entsprechen. Wie spärlich wurde dagegen die schwere Arbeit des Bergmannes entlohnt, der bei einem Wochenlohn von 9 bis 10 Groschen jährlich 24 Gulden verdiente.
Bereits 1543 klagten die Scheibenberger ihrer Herrschaft den Rückgang des Bergsegens und baten um Zubuße. Von nun an erforderte der Bergbau Opfer. 1596 wurden wegen des stetigen Rückganges des Bergbaues die Gruben ganz aufgegeben, und man las nur noch die Halden ab. Erneute Versuche in den alten Gruben blieben erfolglos und brachten der Stadt nur Schulden.
1696 lieferte das Scheibenberger Bergamt 4461 Fuder Eisenstein, und 1782 gewann das Revier 669 Mark 6 Lot Silber. Eine Mark entsprach 234 g. Außerdem wurden 10 Zentner Kobalt, 82 Zentner Braunstein, 557 Fuder Eisenstein, 248 Fuder Kalkflöße, 330½ Zentner Vitriolkies und 1150 Zentner Arsenikalkies gewonnen.
Seit Beginn des Bergbaues stand am Pochbache eine Pochmühle. 1834/35 erbaute man am Elterleiner Weg ein neues Pochwerk. Nur wenige Gruben waren um diese Zeit noch im Betrieb.
Zum Scheibenberger Bergamt gehörten Hohenstein, Wiesenthal, Pöhla, Rittersgrün, Crandorf, Neudorf, Crottendorf, Elterlein, Grünstädtel und Schwarzbach. Die Bergbeamten hielten im hiesigen Rathaus Bergtage ab. Das Bergamt befand sich im Hause Markt 2. Die Bergleute hatten eigene Musik und feierten alljährlich am 22. Juli hier in Scheibenberg ihr Bergfest mit Aufzug in die Kirche. Noch 1837 wurde eine neue Knappschaftsfahne geweiht. 1868 beging die bis Johanngeorgenstadt reichende Bezirksknappschaft das letzte Bergfest in Scheibenberg. Bereits 1850 war das Scheibenberger Bergamt mit dem Annaberger vereinigt worden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlosch der Bergbau völlig. In den Jahren seit 1948 lebte der Bergbau auch in Scheibenberg noch einmal auf, um nach kurzer Zeit wieder aufzuhören.
H. Zimmermann, Scheibenberg