Erzgebirgische Heimatblätter. Beilage der Obererzgebirgischen Zeitung. Nr. 8 – Sonntag, den 20. Februar 1938. S. 1 – 2.

Verträumt liegt sie an den Berghängen des Katzensteingebietes, so wie unser Bild das zeigt. Viel zu wenig wird sie aufgesucht, ja wir sind überzeugt, daß mancher unserer Leser die Hüttstadtmühle noch gar nicht kennt. Deshalb auch wollen wir uns hier gern einmal zu Mittler machen und etwas von dieser romantischen Mühle erzählen. Die Hüttstadtmühle ist entdeckt worden. Kein Mensch hat früher daran gedacht, daß dieses alte Gebäude einmal Zielpunkt froher Wanderfahrten werden könnte. Man hatte aus ihr zunächst eine Jugendherberge gemacht und damit die Mühle der wandernden Jugend bekannt gemacht. Diese wiederum hat ihre Aufgabe erfüllt und von der Schönheit der Hüttstadtmühle weiter erzählt, sodaß sich bald immer neue Freunde fanden. Bernh. Beyer-Zöblitz erzählt u. a. folgendes: Als einige Jahre vor dem Weltkriege zweimal Pionierkommandos im steilen Hange unterhalb des riesigen Vogeltoffelfelsens einen prächtigen Holzabfuhrweg in die Felsenwildnis sprengten und Alt und Jung aus nah und fern diesem seltsamen Tun und Treiben verwundert zusah, war man allgemein erstaunt über die herrliche Lage der den Soldaten als Standquartier dienenden alten Hüttstadtmühle. Von vielen Seiten wurde lebhaft bedauert, daß dieses Bauwerk, sich sonst ganz und gar allein überlassen, nicht irgend einem ernsten Zwecke diene. Damals faßte ich, ein begeisterter Freund der Natur und Führer so mancher Schulwanderungen, im stillen den Entschluß, die Mühle zu erwerben und der wanderfrohen Jugend mit zur Verfügung zu stellen. Damit hoffte ich auch zu erreichen, das das noch viel zu wenig besuchte und geschätzte Katzensteingebiet die gebührende Stellung im Wanderverkehre endlich erlange. Die Pioniere zogen, unter Vorantritt meines Zöblitzer Knaben-Trommer- und Pfeiferkorps, zu Bahn, und bald wurde es dort „Draußen“ wieder still wie im Grabe. Erst vier Jahre danach fand mein Plan Verwirklichung. Als mich nämlich später in einem pilzreichen Sommer mein Weg fast Tag für Tag an der verlassenen Mühle vorbeiführte, trat ich eins Tages kurz entschlossen mit dem Besitzer dieses „verwunschenen Schlosses“ in Kaufverhandlungen ein und erwarb schon nach einigen Tagen das gesamte Anwesen zu scheinbar geringem Preis. „Alle Welt“ lachte und wollte nicht einsehen, was mit diesem verlotterten Baue eigentlich anzufangen sei. Ich aber ließ mich nicht im geringsten irre machen. Ich fand verständnisvolle Freunde meiner Bestrebungen, und so ging ich denn rasch an den Ausbau. Welch ungeheure Schwierigkeiten dabei zu überwinden waren, kann nur der ermessen, dem es gleichfalls beschieden war, in jenen schweren Kriegszeiten bauen zu müssen. Ein Glück aber war es, daß mein Bau der Landwirtschaft mit dienen sollte. Andernfalls wäre er bald zum Erliegen gekommen. Wohl über 20 Jahre hindurch hatte keine Menschenseele an dem Grundstück die verbessernde Hand angelegt, und so machte sowohl das Aeußere als auch das Innere einen trostlosen Eindruck. Balken, Bretter, Fensterkreuze, Glas- und Topfscherben, zerbrochene landwirtschaftliche Geräte und allerlei anderes Gerümpel lagen in wildem Wirrwarr rings zerstreut, während aus den mauern armstarke Bäumchen und mannshohes Unkraut üppig emporwucherten. Wochenlang konnte ich nur mit äußerster Vorsicht die Räume betreten, bestand doch so leicht die Gefahr, mit samt dem morschen Gebälk und greulichem Unrat in die gähnende Tiefe zu stürzen. Stalldach und Abort waren längst verschwunden, und im dichten Nessel- und Himbeergestrüpp barg sich allerlei lichtscheues Getier. Im Hause selbst hatten Rotschwänzchen in allen Winkeln ihre Nester erbaut und wollten sich nur schwer in das Unvermeidliche fügen. Zuweilen hatte die Mühle recht seltsamen Besuch bekommen, und zwar, wenn es galt, aus sicherem Versteck auf Hirsch und Reh die tödliche Kugel zu senden. War doch schon von manchem früheren Bewohner neben der Müllerei auch eifrig die Wilddieberei gepflegt worden, was wesentlich dazu beitrug, die Mühle in argen Verruf zu bringen. Seit September 1917 ist es nun gelungen, das einstige Wilddiebsversteck in eine wohnhafte ideale Jugendherberge umzuwandeln. Hierzu trug namentlich der glückliche Umstand bei, daß die ganze Anlage mit ihrer bedeutenden Länge und Tiefe große geräumige Stuben, Kammern und Böden ermöglichte, was jeden Besucher in helles Entzücken versetzt. Niemand ahnt beim flüchtigen Betrachten des äußeren Baues eine solch überraschende Raumfülle. So gewinnt man denn in hiesigen Kreisen meinen Plänen immer mehr Verständnis ab. Das ganze Anwesen umfaßt, wie schon erwähnt, außer der eigentlichen ehemaligen Mühle noch einen angebauten Stall, eine kleine Scheune, einen Stauteich und 4½ Scheffel Land, das viele Jahre lang fast nur als Hutung diente, jetzt aber fast zur Hälfte wieder in Ackerland verwandelt worden ist und außer Kartoffeln noch etwas Hafer, Gerste, Lein und Kraut liefern soll. Ist es doch meine Absicht, außer der Fisch- und Bienen- auch eifrig die Ziegen- und übrigen Kleintierzucht obzuliegen, wozu ja alle Bedingungen gegeben sind. Der Teich erhält reichlich Zufluß des klarsten Wassers aus den anliegenden quellenreichen Wiesen, sodaß es mir auch noch ein Leichtes war, eine eigene Wasserleitung bis ins obere Stockwerk der Mühle zu legen. Sehr gern wird auch im Sommer der Teich benutzt; bietet er doch willkommene Gelegenheit, nach anstrengender Wanderung ein erfrischendes Bad zu nehmen. Das ganze Grundstück grenzt an zwei Seiten unmittelbar an den gewaltigen Kriegwald, der außer Fichten und Tannen auch herrliche Buchenbestände aufweist, die namentlich im Frühling und Herbste wunderbare farbige Wirkungen zeitigen. Die „Mühle“ liegt in einem sanften Talgrunde, ungefähr 100 Meter oberhalb des Pionierweges, 5 Minuten seitwärts des 178 Meter hohen Vogeltoffelfelsens, ¾ Stunde von Zöblitz und 15 Minuten von dem Dorfe Ansprung entfernt, von dem es, gemeinsam mit zwei Wirtschaften, einen besonderen Ortsteil bildet. Schräg gegenüber steigt der berühmte Katzensteinfelsen an, dessen Fuß schon nach viertelstündiger, reizender Wanderung zu erreichen ist, während auf prächtigen Waldstraßen in 1½ Stunde die aufstrebende Holzwarenstadt Olbernhau, die Dörfer Rübenau und Kühnhaide dem Wanderer zugänglich sind. In der Nähe wird an mehreren Stellen das ganze Jahr hindurch die Köhlerei betrieben, während im Sommer und Herbste Scharen von Holz-, Pilz- und Beerensammlern den riesenhaften Forst durchstreifen und meist mit reicher „Beute“ der „Heimat“ wieder zustreben. Ein solcher Wald hat viele Reize.

Möchten doch recht viele jugendliche Wanderer und Wanderinnen in der Hüttstadtmühle, die heute nicht nur für die wandernde Jugend, sondern für jeden Fremdenverkehr erschlossen ist, Einkehr halten, um von da aus nach allen Seiten das seltenschöne Gebiet zu durchstreifen. Dann wird vielleicht schon nach wenigen Jahren das wildromantische Katzensteingebiet der wandernden Welt so bekannt sein wie heute der Fichtelberg, Auersberg oder die Sächsische Schweiz. Dazu beigetragen zu haben, soll auch unser Wunsch sein.