Paschen, Wildern und Vogelstellen im Erzgebirge.

Von Erhard Friedrich, Schwarzenberg.

Illustrierte Wochenbeilage der Obererzgebirgischen Zeitung. Nr. 41. — Sonntag, den 5. Oktober 1930, S. 2

Dieses Thema wurde jüngst im Schwarzenberger Geschichtsverein durch Lehrer Berger-Breitenbrunn in ausführlicher Weise behandelt. Besonders eingehend verbreitete sich der Berichterstatter über das Paschen und Wildern. Als Quellen für seine Darlegungen dienten ihm außer Material aus Chroniken, Aktenstücken, Bekanntmachungen von Behörden u. a. der Volksmund, Berichte von Zeitgenossen und eigene Beobachtung. So entstand in den Ausführungen ein volkskundlich wertvolles Bild mit charakteristisch historischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einzelzügen.

Wenn die Begriffe Paschen und Wildern fallen, dann denkt man in unserer Gegend sofort an zwei Voraussetzungen. Das sind der ausgedehnte Erzgebirgswald und das sächsisch-böhmische Grenzgebiet mit seinem verfänglichen Herüber und Hinüber von jeher gewesen. Zur Entstehung der Sitte, besser Unsitte, haben neben dem triebhaft vererbten Abenteurerblut von altersher — es gab direkt Paschergeschlechter — zweifellos die bösen Kriegs-, Hungers- und überhaupt Notzeiten wie nicht zuletzt der 30jährige Krieg wesentlich beigetragen. Der „Beruf“ des Paschens und Wilderns, diese lichtscheue Tätigkeit, mußte natürlich in Zeiten gelockerter Ordnung sofort tiefere und breitere Wurzeln schlagen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß auch frühere Ausbeuterverhältnisse zwischen dem bevorrechteten „Herrn“ und dem bediensteten „Knecht“ derartige Formen des Diebstahls gefördert haben.

Der Begriff des Paschens wurde vom Vortragenden in Zusammenhang gebracht mit den bedeutungsgleichen oder doch ganz bedeutungsähnlichen Ausdrücken des Schmuggelns, Defraudierens, Konterbandierens. Schon rein sprachlich und von hier aus auch juristisch gibt es viele interessante Aufschlüsse. Wer mit Zoll und Grenze ernstlich und wiederholt, also sozusagen berufsmäßig in Konflikt gerät, bei dem ist der Schritt zu Urkundenfälschung u. a. als Mittel der Bemäntelung und der Verschleierung nicht weit.

Der Berichterstatter schilderte dann einen nächtlichen Pascherstreifzug. Es war ein gewisser Einschlag von Pascherromantik mit dabei, die es bei aller Verwerflichkeit des Tuns und bei allen Fährnissen auf jeden Fall gab. Uebrigens schien sich der eingefleischte Pascher und auch Wilderer nicht allzusehr vor Gefahr und Strafe zu fürchten. Beim Ertappen kam es meist zu Rauferei oder Schießerei. Mancher verendete blutend an einsamer Waldstelle, andere büßten im Kerker, von dem Verlust der Ware gar nicht zu sprechen. Zum richtigen Pascherhandwerk gehörten so manche Voraussetzungen: sicherer Umgang mit der Schußwaffe, gründliches Vertrautsein mit den Paschersteigen, vorteilhafteste Ausnützung günstiger Zeiten (Festtage, bestimmte Nachtstunden), genaueste Kenntnis des örtlichen Grenz- und Straßenschutzes u. a. waren Selbstverständlichkeiten. Die Pascher hatten ihre wohl ausprobierten Pläne, die natürlich verschieden waren, je nachdem es sich um Alleingang oder Bandenschmuggel, um Pascherei auf eigene Faust für Privatzwecke oder um Auftrag für Weitervertrieb usw. handelte. Es gab sogar Zeiten, da in manchen Gegenden eine Pascherinnung bestand, und zwar nicht geheim, sondern mit öffentlicher Genehmigung. In dieser Innung werden gewiß genaue Vorschriften darüber ausgearbeitet worden sein, wie z. B. bei Gruppenpascherei sich der Vortrupp, zu dem der Führer gehörte, und der Haupttrupp, in dem die Warenträger waren, zu verhalten hatten. Das Objekt des Paschens war recht vielgestaltig. Außer den bekannten Materialwaren wie Kaffee, Tabak, Seife usw., und in neuester Zeit (mit Auto in großzügiger Weise) Kokain, Spitzen, Seidenstoffe, kosmetische Artikel u. a. wurden früher besonders gepascht: Holz (angeführter Beleg aus Rittersgrün bei Lindner), Getreide (Beleg bei Lehmann), Eisen und Eisenblech (siehe Veit Hans Schnorr von Karolsfeld). Ein Beispiel aus der Gegenwart bewies, wie ausgesprochen „modern“ vorgegangen wird und von einer romantischen Seite des Paschens nicht mehr gesprochen werden kann. Außerdem war zu ersehen, welche wichtige Rolle dabei Grenzgasthäuser spielen können.

Zum Schluß wurde auf Erzählungen aufmerksam gemacht, die einen Einblick besonders in das Gebiet des Paschens gewähren wie Max Geißlers „Musikantenstadt“ und „Am Sonnenwirbel“, ferner Paul Simons „Irrlicht“.