Im Wintersportgebiet von Johanngeorgenstadt.

Erzgebirgische Heimatblätter. Beilage der Obererzgebirgischen Zeitung. Nr. 3. — Sonntag, den 12. Januar 1930, S. 1

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An der Hans-Heinz-Schanze bei Johanngeorgenstadt.

Der Name Johanngeorgenstadts als Wintersportplatz ist seit der Errichtung der weit und breit bekannten Hans-Heinz-Schanze, der größten ihrer Art in Deutschland, in immer größere Kreise gedrungen. Es war ein Ereignis als am 6. Januar 1929 Aberhunderte von Sportlern zu der kleinen Gebirgsstadt dicht an der tschechoslowakischen Grenze strömten, um dem Weiheakt beizuwohnen. Mit ihm war zugleich das 20jährige Bestehen des Wintersportvereins daselbst verbunden. Bürgermeister Dr. Plobbig feierte in einer zündenden Ansprache damals den Schanzenbau als eine nationale Tat und wies auf die Bedeutung der Schanze für den sächsischen Skisport hin. Auch am 5. Januar dieses Jahres wieder stand das Erzgebirgsstädtchen Johanngeorgenstadt vor einem großen wintersportlichen Ereignis. Trotz der sonst herrschenden ungünstigen Schneelage der deutschen Mittelgebirge waren die Schneeverhältnisse dort oben auf dem Kamm des Erzgebirges gut, sodaß sämtliche vorgesehenen Wintersportveranstaltungen ohne Reibung und nennenswerten Unfall durchgeführt werden konnten. Freilich hatte man mit gewissem Bangen der Gestaltung der Dinge seit den Weihnachtsfeiertagen entgegengesehen und hatte vorsorglich große Schneemassen nach der Sprungschanze gebracht, um auch bei ungünstigem Sportwetter die Durchführung des Sprunglaufes wenigstens zum Teil sicherzustellen, wogegen jedoch Tauwetter oder pappender Schnee trotzdem ihre Vernichtungsarbeit verrichteten. Noch am Sonnabend vor dem Springen wurden 12 Grad Wärme gemessen. Aber abends bereits nahm die Temperatur erheblich ab und wies am Sonntag 4 Grad Kälte auf. Damit war man der Sorge um die Durchführung des Eröffnungsspringens behoben und bei herrlichen Sonnenschein konnte um 1 Uhr mittags der erste der 25 Springer über die Schanze gehen. Ganz hervorragend schnitt der in Deutschland ansässige Norweger Ruud ab, der im Wettbewerb auf 60 und 63 Meter kam, außer Konkurrenz zunächst 66 Meter und später mit 70 Meter einen neuen deutschen Rekord erreichte. Der bekannte sächsische Springer Walter Glaß I aus Klingenthal hatte Pech. Beim ersten Sprung von 58 Meter kam er zu Fall, beim zweiten Sprung landete er an der 50-Meter-Marke. Er kam dadurch hinter seinen Vereinskameraden Trommer, der 39 und 41 Meter stand, nur auf den dritten Platz. Ganz ausgezeichnet hielt sich auch der bekannte Johanngeorgenstädter Springer Czermak, der außer Wettbewerb auf 56 Meter kam. Besondere Anerkennung verdient auch die Leistung des Jugendlichen Bayreuther-Johanngeorgenstadt, der zwei Sprünge von 39 und 40 Meter durchstand. Der Erfolg der Springer ging weit über das zu Erwartende hinaus, und ganz besonderer Dank gebührt dem Wintersportverein Johanngeorgenstadt, der keine Mühe und Kosten scheute, die Veranstaltung, die weit über Sachsens Grenzen hinaus Kunde von der Bedeutung des Wintersports in Sachsen bringt, großzügig auszugestalten. Die einzelnen Sprünge und ganz besonders die des neuen Rekordmannes Ruud, wurden von den 3000 Zuschauern mit größtem Beifall aufgenommen. Wie die sportlichen Veranstaltungen an der Schanze, so verlief auch sonst die gesamte Johanngeorgenstädter Veranstaltung ausgezeichnet und zeigte eine vorbildliche fleißige und umsichtige Vorbereitung. Auch die Quartierfrage war recht gut gelöst, was ja bei derartigen Veranstaltungen von großer Bedeutung ist. Da auch sonst die Schneeverhältnisse auf dem Gebirgskamm günstige waren (am Auersberg, nach Platten zu und hin zum Fichtelberg), so wurden noch Fahrten in diese Gebiete unternommen, wo ebenfalls überall starker Sportbetrieb herrschte; und das besonders auch in Oberwiesenthal, dem Dorado der Wintersportler. Von einem Teilnehmer solcher Fahrten wurde uns berichtet, daß man erstaunt war darüber, welch brauchbare Schneeverhältnisse im Gegensatz zu anderen Gebirgsstrichen auf dem Kamm des Erzgebirges angetroffen wurden. Begeistert spricht sich der betreffende Sportler auch über die Winterschönheit der Gegenden aus, die er durchfahren hat. Ueberall reizten ihn das für das Erzgebirge so typische, reich abwechselnde Bild des Mittelgebirges und der Waldreichtum der von ihm durchlaufenen Kammstrecken. Auch die Gaststätten unseres Gebirges fanden die ungeteilte Zuneigung nicht nur unseres Gewährsmannes, sondern auch seiner Begleitung.