Holz unter dem Messer.

Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt. Tageblatt Annaberger Wochenblatt. Hauptzeitung des Obererzgebirges. Nr. 2. 129. Jahrgang. 12. Januar 1936. S. 6 – 7.

Holz ist ein dankbares und edles Material für den Bildhauer. Auf mancher Ausstellung heutiger Kunst bewundern wir Holzplastiken, die uns von besonderer Lebenswärme erfüllt erscheinen. Hervorragend geeignet für die Bearbeitung sind alle mittelharten Hölzer von möglichst gleichmäßiger Struktur, also Lindenholz, Birnbaum, Apfelbaum, Nußbaum und Pflaumenbaum. Eichenholz kommt nur dann in Frage, wenn die Gegenstände besonders dauerhaft sein müssen, da sie Witterungseinflüssen ausgesetzt sind. Sonst aber ist Eichenholz so hart und folglich schwer zu bearbeiten, daß es keinen so dankbaren Stoff abgibt wie andere Hölzer. Besonders schöne Gegenstände werden aus Zedern- und Ebenholz geschnitzt.

Das einheimische Holz war das Material, aus dem Künstler wie der unvergleichliche Tilman Riemenschneider ihre unvergänglichen Meisterwerke schufen; schon aus der Frühgeschichte der Menschheit wissen wir, daß zahlreiche Versuche gemacht wurden, aus Holz Nachbildungen der Natur zu formen, Holz diente den Menschen jener Tage bei ihren ersten Versuchen, Kunst hervorzubringen.

Leider ist Holz nur beschränkt haltbar und so sind uns bisher keine Arbeiten aus der hohen Kultur der germanischen Völker überliefert worden. Aus Bronze- und Goldschmiedearbeiten ist festgestellt worden, daß die Arbeiten nordischer Künstler auf höherer Stufe stehen als die Werke der gleichen Zeit aus südlichen Ländern. Bei dem großen Holzreichtum, der Jahrtausende vor der Zeitwende zum Bau von Holzhäusern führte, deren Grundform wir später in Stein nachgebildet in Griechenlands Tempeln wiederfinden, wird auch das Holz in Urzeiten unseren Vorfahren als leicht zu bearbeitender Stoff für Kunstwerke gedient haben.

Gutes leisteten die alten Ägypter auf diesem Gebiet. Es sind uns größere Holzskulpturen aus altägyptischer Zeit erhalten. Im griechischen Altertum fertigte man aus Holz die Götterbilder, die dann bunt bemalt, vergoldet und mit buntem Putz behängt wurden.

In der Zeit der Gotik spielte die Holzschnitzerei eine bedeutende Rolle, wie wir noch heute in den gotischen Kirchen sehen, die meist reich an kunstvollen Holzschnitzereien sind.

Holzplastik
„Bärtiger Mann”. Außergewöhnlich schönes Stück deutscher Holzschnitzkunst, das um das Jahr 1520 geschaffen wurde und ein Relief ohne Hintergrund ist. (Weltbild, M.)

Im sechzehnten Jahrhundert bevorzugte man das sehr weiche und modellierfähige Buchsbaumholz, aus dem man vorzügliche Porträts schnitt. Peter Flötner in Nürnberg und Hans Schwartz in Augsburg errangen auf diesem Gebiet unvergänglichen Ruhm. In den Dörfern der bayrischen und Tiroler Berge hat es im Lauf der Zeit manches ursprüngliche Talent gegeben, das seinen Bildnerdrang auf dem Gebiet der Holzschnitzkunst betätigt hat. Meist sind es Heiligenfiguren und Kruzifixe, die aus der Hand dieser dörflichen Bildhauer hervorgingen, und als „Herrgottsschnitzer“ haben diese Männer sich einen Namen gemacht. Bekannt sind vor allem die Holzschnitzereien von Oberammergau, die aus dem Geist der Oberammergauer Passionsspiele entstanden, etwas von der gleichen kindlichen Innigkeit und Frömmigkeit spüren lassen, wie jene Spiele sie haben.

Sehr nah können uns diese Holzplastiken kommen, wir spüren ein Eigenleben in ihnen, das der kalte Stein niemals hat, und es ist sehr wohl denkbar, daß gerade jetzt die Holzbildhauerei vor einer neuen Blüte steht. Man wird die dafür passende Ausdrucksform finden und die Gesetze, die sich aus diesem Material ergeben, meistern. Der deutsche Wald, der deutsche Garten wird eine neue Holzkunst schaffen helfen.

Mitglieder des Schnitz- und Krippenvereins Mildenau mit den von ihnen geschnitzten Köpfen für die lebensgroßen Figuren, die den Besuchern der Schnitzausstellung am 12. Januar vorgeführt werden sollen.

Der Erzgebirger hat besonderes Verständnis für Holzschnitzereien. Die einfachen Formen reiner Volkskunst gehen immer mehr zu künstlerischer Gestaltung über. Jede Schnitzausstellung, die wir besuchen, zeigt Fortschritte dieser Art. Die Schulung in den Schnitzvereinen leistet hierbei wertvollste Arbeit.