Von Schulleiter Hermann Augustin, Tschochl (P. Krima).
Erzgebirgische Heimatblätter. Beilage der Obererzgebirgischen Zeitung. Nr. 3. — Sonntag, den 12. Januar 1930, S. 4
Es ist eine geschichtliche Tatsache, daß schon unsere germanischen Vorfahren, die Markomannen, die auch einst in Böhmen lebten, den Boden mit Hafer, Gerste, Roggen und Flachs bebauten.
Schon damals spannen die Frauen aus Flachs Leinwand und waren mit selbstgewebten Leinengewändern bekleidet. Der Flachs wurde also seit den frühesten Zeiten in erster Linie im Haushalt verwendet. Gar manches Großmütterchen oder Großväterchen wird uns noch vom Spinnrad erzählen können. Heute hat die Verwertung im Bauernhaushalt gänzlich aufgehört. Der Flachsbau aber, der sich nur im Gebirge findet, hat bei uns im Erzgebirge, namentlich um die Jahrhundertwende, bedeutend an Ausdehnung gewonnen.
Noch vor vielleicht einem halben Jahrhundert wurde viel weniger Lein angebaut, als in den folgenden Jahren.
Auf dem 700 bis 800 Meter hohem Plateau zwischen Preßnitz—Sonnenberg—Sebastianberg—Wisset—Krima—Platten gegen Katharinaberg wurde früher der Flachsbau in der althergebrachten Weise betrieben. Man mußte den Flachs oft bis in den Spätherbst auf den Feldern liegen lassen, um ihn so durch Tauröste für die weitere Verarbeitung vorzubereiten. Die Tauröste auf dem Kamme des Erzgebirges gab aber in den seltensten Fällen ein gutes Produkt. Der Erfolg war immer von der launigen Herbstwitterung abhängig. War es zu trocken, wurde die Ware rot und spröde, war es zu feucht, wurde sie zu wergig, oder, wie es im Volksmund hieß, der Flachs war „angefault“. Manchmal kam es sogar vor, daß er überhaupt auf dem Felde liegen bleiben mußte, weil plötzlicher Schneefall dem Röstprozesse ein jähes, unglückliches Ende bereitete.
Dieser Umstand bewirkte, daß weniger Lein angebaut wurde. Manche Bauern hatten den Anbau überhaupt aufgegeben.
Da wurde die Warmwasserröste in Marienberg in Sachsen bekannt. Die Bauern erfuhren, daß man an diese Anstalt sogar den Rohstengelflachs liefern könne. Das veranlaßte nun viele, den Flachsbau wieder oder in noch größerem Maße zu betreiben, und so nahm er auch im böhmischen Erzgebirge wieder einen Aufschwung.
Einige Jahre hindurch fuhren nun die deutschen Erzgebirgsbauern aus Böhmen nach Sachsen und verkauften dort ihre Ware. In ganz Oesterreich gab es damals noch keine derartige Anstalt. —
Im Jahre 1894 entschlossen sich einige Landwirte aus der Umgebung von Krima, eine Flachsbaugenossenschaft mit dem Sitze in Krima zu gründen und die Errichtung einer eigenen Flachsbereitungsanstalt (Warmwasserröste mit Schwingerei) in Krima in Angriff zu nehmen. Tatsächlich entstand zwar unter großen Schwierigkeiten in kurzer Zeit eine Anstalt, die als genossenschaftliches Unternehmen die erste in ihrer Art im ganzen damaligen Oesterreich war. Seit dem 13. April 1897 führt die Genossenschaft den Namen „Flachsbaugenossenschaft für das Erzgebirge“, r. G. m. b. H.
Mit der Errichtung dieser Anstalt hat natürlich der Flachsbau im böhmischen Erzgebirge neuerdings einen großen Aufschwung genommen und ist seit dieser Zeit bis zum Jahre 1926 auch immer auf einer gewissen Höhe geblieben.
Seit ungefähr 3—4 Jahren aber ist infolge der zollfreien Einfuhr des Flachses aus anderen Ländern wieder ein beträchtlicher Rückgang der Flachswirtschaft zu verzeichnen.