Von Hans Siegert.
Mit einer Karte des Verfassers.
Glückauf. Zeitschrift des Erzgebirgsvereins. 46. Jahrgang. März 1926, S. 39 – 48.
Der älteste Verkehr übers Erzgebirge, soweit er durch geschichtliche Quellen beglaubigt ist, verdankt kriegerischen Unternehmungen seine Veranlassung.
Ob in Zeiten, die durch das Licht der Forschung noch nicht erhellt worden sind, zwischen den Bewohnern Böhmens und denen des nördlichen Vorlandes des Erzgebirges ein Handel oder Warenaustausch über das Gebirge hinweg stattgefunden hat, ist nicht erwiesen. Doch ist es nicht ausgeschlossen, daß schon vor der Zeit der Besiedelung des Gebirges wagemutige Händler ihren Weg durch den wilden und wohl teilweise versumpften Wald nach Böhmen gesucht haben. Denn obwohl Böhmen an landwirtschaftlichen Erzeugnissen und an Schätzen des Bodens sehr reich ist, so fehlt ihm doch eins, das Salz. Salz aber bildete schon sehr frühe einen wichtigen Handelsgegenstand zwischen Böhmen und Halle, und durch das ganze Mittelalter hindurch waren die Salzkärrner auf den alten Straßen, die von Halle über Leipzig1 nach dem Gebirge führten, eine sehr häufige Erscheinung. Und so unentbehrlich war dieses Gewürz für Mensch und Tier, daß während des Dreißigjährigen Krieges wegen des Pferdemangels das kostbare Gut auf Schiebeböcken befördert wurde. Der Scheibenberger Pfarrer Lehmann († 1688) erzählt u. a. in seiner Kriegschronik2: „Den 24. November quartirten sie (die Kaiserlichen) in Marienberg, do wahr große noth umb brod, fürnemblich umb Saltz, das wahr so seltzam, weil die Schiebeböcker wegen der folcker nicht heim ins gebirg kommen kunten, daß auch 1 viertel 6 reichsthaler gegolten”.
Für den friedlichen Verkehr übers Gebirge in früheren Zeiten, etwa in keltischer Zeit, sind wir nur auf Vermutungen angewiesen. Sicherer sind die Nachrichten über die Durchdringung der Gebirgswälder aus Anlaß kriegerischer Unternehmungen.
Die erste Überschreitung dieser Art dürfte der Markomannenkönig Marbod unternommen haben, um sich Armin, dem Befreier Deutschlands, zur Schlacht zu stellen. Diese fand im Jahre 17 n. Chr. vermutlich in der Saale-Unstrut-Gegend statt. Von Böhmen bis dahin aber konnte er am zweckmäßigsten nur über das östliche Erzgebirge gelangen, da dort der Waldgürtel am schmalsten war3.
Die nächsten Jahrhunderte sind, soweit es sich um die Kenntnis vom Erzgebirge handelt, dunkel. Erst das Jahr 805 bringt wieder Kunde von einer Überschreitung des Gebirges. In diesem Jahre ließ Karl der Große den Böhmenkönig Semela von drei Heeren zugleich angreifen. Von dem einen dieser Heere wissen wir bestimmt, daß es das Gebirge überschritten hat. Reichlich 100 Jahre später, ist im Jahre 929, unternahm Heinrich I. einen Zug übers östliche Gebirge, nachdem er die Stadt Gana erobert hatte. Auch Otto I. und II., Heinrich II. und IV., sowie verschiedene Böhmenkönige haben mit zahlreichen Heerscharen das Erzgebirge überschritten, und in den großen Kriegen der neueren Zeit hat unsere gebirgische Heimat viel Kriegsvolk – meist zu ihrem Leidwesen – sehen müssen.
Welche Wege sind nun bei der Überschreitung des Gebirges benutzt worden?
Im allgemeinen sei bemerkt, daß die „Pässe” des Erzgebirges bei weitem nicht so scharf ausgeprägt sind wie etwa die der Alpen. Sie liegen nicht viel unter der Kammhöhe, sodaß der Verkehr nicht mit Naturnotwendigkeit immer an dieselbe Zahl der Wege gebunden war. Doch haben sich im Laufe der Jahrhunderte einzelne Wege als Hauptstraßen herausgebildet, die in neuester Zeit auch noch den länderverbindenden Schienenstrang zum Genossen bekommen haben. Wenn wir den Kammweg des Gebirges von Osten her begehen, so durchschreiten wir eine ganze Reihe von Einsattelungen, eben unsere Pässe. Es sind deren zwölf:
der Nollendorfer Paß, 2. der Paß vom Geiersberg, 3. der Graupener Paß, 4. der Paß von Klostergrab, 5. der Paß von Sayda, 6. der Reitzenhainer, 7. der Preßnitzer, 8. der Wiesenthaler, 9. der Rittersgrüner, 10. der Johanngeorgenstädter Paß, 11. der Paß zwischen Eibenstock und Frühbuß und 12. der Graslitzer Paß.

Wenn wir bedenken, daß gegenwärtig reichlich doppelt soviel Straßen über den Kamm des Gebirges nach Böhmen führen, wie hier Pässe aufgezählt sind, so werden wir die oben angeführte Bemerkung berechtigt finden, daß die sogenannten Erzgebirgspässe nur in einer Zeit hervorragende Bedeutung hatten, als der Verkehr sich mit wenig Straßen begnügen konnte und demnach zu weiteren Straßenbauten kein Bedürfnis vorlag, und daß später infolge der Ebenheit des Kammes der Verkehr sich seine Wege suchen konnte, wie und wo er ihrer bedurfte. Im Mittelalter bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts war der Wert der Pässe ungleich höher.
Der älteste Übergang ist, wie Hemleben überzeugend nachweist, der Nollendorfer Paß. Er liegt im Zuge der Straße Pirna – Gottleuba – Peterswald – Kulm – Teplitz – Prag. Der Handel von Pirna nach Böhmen hat sich schon im 13. Jahrhundert dieser Straße bedient, und die oben erwähnten ersten Heereszüge haben wahrscheinlich alle den Nollendorfer Paß benutzt. Später hat der Paß die wilden Heere der Hussiten und des Dreißigjährigen Krieges, wie auch die Preußen unter Friedrich dem Großen im Siebenjährigen Krieg und unter Kleist von Nollendorf 1813 gesehen. 1866 endlich sind die Sachsen unter Kronprinz Albert die alte Straße nach Böhmen gezogen. Daß auch die Leipziger Post seit 1625 auf ihrer Fahrt nach Prag den Nollendorfer Paß benutzte, sei zur Erhärtung seiner Bedeutung noch besonders erwähnt.
Der nächste Paß nach Westen zu ist der in der Straße Dohna – Liebstadt – Breitenau – Fürstenwalde – Teplitz gelegene Paß vom Geiersberg. Die ehemalige Geiersburg beherrschte im Mittelalter den alten Gebirgsübergang, daher der Name. Auch dieser Paß war in den Befreiungskriegen ein gesuchter Übergang. Kleist hatte 1813 die Absicht, auf ihm den Abstieg nach Böhmen zu nehmen. Allein der Weg füllte sich rasch mit umgestürzten Wagen und zerbrochenen Lafetten, sodaß ein Weitermarsch für Kleist nicht möglich war. Er führte seine Preußen über Schönwald nach Nollendorf, faßte die Franzosen im Rücken und trug so entscheidend zum Sieg über Vandamme in der Schlacht von Kulm (30. August 1813) bei.
Wichtiger als der Paß vom Geiersberg ist der Graupener Paß, der Weg über den Mückenberg. Die Tatsache, daß er Zugänge von Dippoldiswalde und Freiberg, also von zwei wichtigen Städten hatte, läßt vermuten, daß er zeitweilig stark benutzt worden ist. Die 30.000 Sachsen, die 1426 in Freiberg für den Kampf gegen die Hussiten zusammengestellt wurden, nahmen ihren Weg über den Graupener Paß. In der unglücklichen Schlacht bei Aussig (1426) kam der größte Teil des Heeres ums Leben. Auch später, besonders im Dreißigjährigen Krieg, ist die Straße Dippoldiswalde – Mückenberg – Graupen – Teplitz oft begangen worden. So konnte Mag. Lehmann in seinem „Historischen Schauplatz derer natürlichen Merkwürdigkeiten im oberen Erzgebirge” die erwähnte Linie Dippoldiswalde – Graupen – Teplitz als eine der Hauptstraßen des östlichen Gebirges aufführen.

In seiner Kriegschronik spricht Lehmann auch von einem Paß von Klostergrab: „Eben den 4. August (1633) fiel auß Böhmen den Pas von Kloster-Grab her abends der Obrist Ulefeld mit 2500 Pferden, drunder 2 Compagnien Crabaten und 2 Compagnien Trajoner sich befunden, in 18 starcken Troppen in Frauenstein ein, Plünderten es ganz auß und wiesen mit grausamkeit, wie es andern ortten ergehen solte.” Dieser Paß von Klostergrab scheint zu Zeiten, besonders da er von Freiberg her befahren wurde, starken Verkehr gehabt zu haben. Als 1581 im November infolge heftigen Schneetreibens der Paß ungangbar geworden war, sammelten sich in kurzer Zeit in Klostergrab 50 Getreidewagen an4.
Stärker aber als die Straße nach dem „Grab” benutzten die Freiberger die nach Brüx. Sie berührte die Orte Sayda, Purschenstein, Deutsch- und Böhmisch-Einsiedel. In Sayda mündete sie in eine ältere, von Öderan kommende Straße. Sie war ein Teil der alten Handelsstraße, die von Magdeburg über Wurzen, Hainichen, Bockendorf, Oederan, Sayda, Purschenstein, Brüx nach Prag führte. Ein arabischer Händler Jakub ibn Ibrahim (Jakob Abrahamsohn), ein Zeitgenosse Kaiser Ottos II. († 983), beschreibt den Verlauf der Straße von Wurzen ab so: „Von der Burg Wurzen (Wùrzen), die am Muldenflusse (Moldawa) liegt, bis zum Ende des Waldes 25 Meilen (zu 1,6 Km, also 40 Km), von dem einen Ende des Waldes bis zum andern (also etwa von Waldheim bis Oberleutensdorf am Südabhang des Erzgebirges) 40 Meilen (= 64 Km), über lauter Berge und durch Wildnisse und endlich über eine hölzerne Brücke (vergl. Brüx = Bruckes), die durch einen Morast (vergl. die Seewiese) von ungefähr 2 Meilen am Ende des Waldes führt, von da ab geht’s zur Stadt Prag”. (Vergl. Bönhoff, die Burgen des Erzgebirges, Glückauf 1909, Seite 166). Da in Sayda also drei Handelsstraßen zusammenkamen, so hatte der Ort schon seit der Besiedelung des Gebirges große Bedeutung. Nach Schurtz5 bedeutet der Name Sayda Gericht, Zollstelle, nach Hemleben Stadt des Zavid, Nach O. E. Schmidt „Stadt hinter dem Walde (= Zawidow)”. Von dem einst stattlichen Schlosse Purschenstein, das die Straße deckte, sind nur noch der Bergfried und spärliche Mauerreste vorhanden. Im Siebenjährigen Krieg fanden zu wiederholten Malen Truppenbewegungen auf der Straße statt, und im Jahre 1813 zogen sich nach der Niederlage bei Dresden einzelne Heeresverbände auf ihr nach Böhmen zurück.

Weitaus häufiger umkämpft als der vorgenannte Übergang war besonders im Dreißigjährigen Krieg der Reitzenhainer Paß. Er liegt im Zuge der alten Straße Leipzig–Chemnitz–Zschopau–Marienberg–Reitzenhain–Komotau–Prag. Ursprünglich führte die Straße von Zschopau über Zöblitz–Kriegwald–Platten6 nach Komotau. Später wurde sie über Marienberg und Kühnheide gelegt, und an die Stelle dieses Dorfes trat dann Reitzenhain. Vielleicht gehört der Reitzenhainer Paß zu den ältesten Übergängen des Erzgebirges. Zu dieser Ansicht könnte die Auffindung des sogenannten Kühnheider Steines führen. Dieser Stein, ein 60 cm hoher, 40 cm breiter, etwa 10 cm dicker, nach oben zugespitzter Gneisblock, wurde im Jahre 1878 in der Nähe von Kühnheide bei Reitzenhain im Torfmoor gefunden, später nach Dresden geschickt und blieb bis 1924 unbeachtet in der staatlichen Sammlung für Vorgeschichte liegen. In diesem Jahre gelang es dem rühmlich bekannten Verfasser der „Kursächsischen Streifzüge”, Professor Dr. Otto Ed. Schmidt, den Standort des Steines zu ermitteln. Auf der Vorderseite des Steines ist ein bartloser Kopf gemeißelt. Über dem Kopf und auf der Rückseite des Steines befinden sich vertiefte Linien, die nach Schmidts Ansicht entweder Runen oder griechische Schriftzeichen darstellen. „Vielleicht”, sagt Schmidt7, „hängt dieses Steinbild irgendwie mit dem Kriegszug zusammen, auf dem Bischof Arno von Würzburg am 13. Juli 892 gegen die heidnischen Slawen in der Nähe des Chemnitzflusses fiel, oder die Tätigkeit der Slawenapostel Methodios († 885) und Kyrillos hat auch einen Missionszug über das Gebirge zu den Elbslawen veranlaßt, bei dem dieses steinerne Kulturbild für ein augenblickliches Bedürfnis geschaffen und dann verloren wurde – –”. Wenn diese Vermutung in der einen oder anderen Hinsicht das Richtige träfe, so hätten wir hier in der Tat ein wichtiges Zeugnis für das Alter des Reitzenhainer Passes. Im Dreißigjährigen Kriege wurde der Paß mehrfach verhauen und durch Schanzen gesichert: „Drauf wurde anbefohlen, alle gräntz-Pässe zu verhauen, Reitzenhain, Satzung usw. So starck, daß weder Roß noch Mann durchkundte …, und wurd in September (1631) mit Paßverhauen angefangen mit schaden ezlicher, welche die beume erschlugen” (Lehmann). Von der Schanze aus unternahmen die jeweiligen Besitzer ihre Raubzüge, von denen besonders Marienberg arg heimgesucht wurde: „Den es wahr weder brod noch bier in der Statt Marienberg, sondern lautter noth, elend und armuthey wegen exactionen und preßuren der Partheien, die an den Reitzenhainer Paß hin und wieder zogen und die Statt auffraßen”.
Was der Reitzenhainer Paß für Marienberg, das war der Preßnitzer für Annaberg. Hemleben schließt aus alten Urkunden, daß der Paß von Preßnitz bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts bestanden hat. Und in der Tat ist der Paß von Anfang an lebhaft benutzt worden. Glänzende Scharen hat er gesehen. Kaiser und Könige, Kurfürsten und Herzöge sind über ihn gegangen zu festlicher Versammlung, aber auch die Räuberhorden des Dreißigjährigen Krieges haben ihn ohne Unterbrechung benutzt. Häufig ist er verhauen und mit Schanzen verwahrt gewesen, damit seine Benutzung durch Fuhrwerke, Kanonen, Reiter und Viehherden unmöglich war.
Fragt man nach den Zugangsstraßen von Norden her, so lassen sich mancherlei, wenn auch nicht völlig sichere Anworten geben. Zur Zeit Lehmanns gab es bereits verschiedene Wege nach dem Preßnitzer Paß. So berichtet er über Baner und seine Scharen: „Und nachdem sie zu Erfurt 5 Regimenter versamlet hatten, narchirten sie auf Zwickau durchs Ertzgebirg des fraden Wegs auf Zweniz, Elterlein, Schletta, Sehm, Cranzahl auf den Presnitzer Paß hinein”. Lehmann nennt diese Straße die „richtige”. Neben diesem geraden Weg führte eine vielbenutzte Straße von Zwickau über Schneeberg, Schwarzenberg, Scheibenberg, Crottendorf, Neudorf, Weipert (bei Lehmann noch die alte Form Weinberg), Pleyl nach Preßnitz. Daß auch eine Verbindung von Preßnitz nach Chemnitz vorhanden war, unterliegt keinem Zweifel, nur über die Lage herrscht nicht volle Klarheit. Die im Jahre 1696 errichtete Poststrecke Prag–Leipzig berührte die Orte Preßnitz–Annaberg–Thum–Klaffenbach–Chemnitz–Penig–Frei (Froh) burg–Zwenkau–Leipzig. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß diese Postlinie zugleich die alte Verbindung von Preßnitz und Chemnitz festhält.

(Aufn. B Schönbörner, Aue)
Bedeutend jünger als die eben beschriebenen Paßstraßen ist die Linie Annaberg–Wiesenthal–Gottesgab–Joachimsthal–Schlackenwerth–Karlsbad–Eger, die sich des Wiesenthaler Passes bedient. Ihre Errichtung und Verbesserung entsprach vielleicht dem Bedürfnis der zahlreichen Besucher des Karlsbades, dessen Quellen seit ihrer Entdeckung viel Heilungsuchende auch von jenseits des Gebirges anlockten.
Im großen Krieg ist der Wiesenthaler Paß häufig Einfallstor für allerlei Raubgesindel gewesen. Darum wurde er oft und an verschiedenen Stellen gesperrt: „Anno 1632 den 6. Martii finge Sich an die Wache an 3 ortten in Wiesenthal, 1. an der straße nach Stoltzenhein, 2. an der straße nach Presnitz und Schmiedeberg, 3. an der straße nach Kupferberg und Klösterlein, darfür 3-fache schläge und Spanische reuter gesetzt und ein Wachheußlein gebauet wahr; die hatten mächtige Anfechtung von Jochimsthal und Hauenstein”. In friedlichen Zeiten aber war besonders zu Beginn und Ende der Karlsbader Kurzeit auf der Annaberg-Joachimsthaler Straße ein reger Verkehr. Von Melanchthon über Peter den Großen und Goethe bis herab zu Moltke sind Tausende dieses Weges gefahren, der zwischen Fichtelberg und Keilberg über den höchsten Gebirgssattel hinab ins Böhmerland führt. Seit 1708 verkehrte die Leipziger Post über Wiesenthal nach Karlsbad. Die Postsäule auf dem Marktplatz von Oberwiesenthal meldet gewissenhaft die Fahrtdauer nach den größeren Orten. Der Postkutscher war gehalten, vor Überschreitung der Landesgrenze die blauen Aufschläge seines Rockes abzuknöpfen und durch schwarze zu ersetzen. Auf der Rückfahrt änderte sich dies entsprechend den Landesfarben8.

Die Stadt Joachimsthal war von ihrer Gründung (1516) an hinsichtlich des Verkehrs auf das nördlich des Kammes liegende Kurfürstentum Sachsen angewiesen – zu dem es ja auch bis 1547 gehörte. Daher bedurfte sie außer der Verbindung über Wiesenthal noch einer weiteren. Diese führte über Gottesgab–Försterhäuser–Goldenhöhe–Rittersgrün–Crandorf (oder Pöhla) nach Schwarzenberg. Christian Lehmann spricht daher häufig von dieser Straße als dem Rittersgrüner Paß. Es scheint, daß ein Teil der Straße in unfahrbarem Zustande gewesen ist, denn Graf Holck legte einen neuen Weg von Seiffen nach Goldenhöhe an: – „hat er von Jochimsthal her durch 200 bauern einen gar Neuen weg biß an die Güldene höhe reumen, die Wege beßérn und des Nachts den 4. August (1633) den Pas aufhauen laßen zwischen Sonnabend und den 7. Sontag Trinitatis, an welchen die holzhauer und waldarbeiter heimgangen wahren, daß es niemand gemercket. Dieser Rittersgrüner Paß ist Enge, theils bergicht, theils marrastigt und wilt, 4 stunden lang über rauchen Walt zue paßiren und durch die Rittersgrün wegen der felsen und unebenen straße von krümmen und steinen so schwer zue fahren, daß Sie an stücken und munitions-Wägen viel zerbrochen und in Crandorf einen gantzen tag daran bauen und schmieden müßen”.

Dieser Rittersgrüner Weg wurde während des großen Krieges stark benutzt. „Es haben die kayßerlichen officirer diese drei wochen über, solange sie das Meißen durchgeplündert, über 12.000 Wägen voller beuten und raub durch Rittersgrün und über 15.000 stücke viehe in Böhmen geschickt”. – Die Beschaffenheit des Weges läßt sich nach solcher Inanspruchnahme denken: „Den der Weg war eine elle tief zu lauter moth9 und koth gefahren, begrube stracks in einer Viertelstunde roß und Mann, die von Mattigkeit dreingefallen waren”.
Eine besondere Bedeutung für Sachsen und Böhmen hat der Rittersgrüner Paß nie besessen. Er trägt den mäßigen Verkehr zwischen Gottesgab und Rittersgrün.
Spärlich fließen die Quellen über eine dritte Verbindung Joachimsthals mit Sachsen, nämlich über Platten und Johanngeorgenstadt. Wir können also auch von einem Johanngeorgenstädter Paß reden. Daß lange vor der Gründung Johanngeorgenstadts (1654) und Joachimsthals (1516) ein Pfad von Schwarzenberg nach Böhmen geführt hat, ist bei den engen Beziehungen zwischen beiden Gegenden als sicher anzunehmen, wenn auch kaum dem Laufe des Schwarzwassers gefolgt sein wird. Denn das ist allen erzgebirgischen Paßstraßen gemeinsam, daß sie geflissentlich die Täler meiden. Während des Dreißigjährigen Krieges ist die erwähnte Straße seltener benutzt worden. Meist bogen die von Böhmen einfallenden Banden bei Zwittermühl rechts ab, um über Halbemeile nach Breitenbrunn und weiter zu gelangen. Zuweilen dehnten sie ihre Streifzüge in der Richtung Eibenstock aus, indem sie von Breitenbach ab die Eibenstöcker Straße benutzten. Diese Straße war ein Teil der späteren wichtigen Postlinie Leipzig–Borna–Altenburg–Gößnitz–Meerane–Zwickau–Schneeberg–Eibenstock–Johanngeorgenstadt–Lichtenstadt. Eine Postsäule auf dem Marktplatz von Johanngeorgenstadt erinnert heute noch an die Herrschaft der Postkutsche. Aber lange vor der Einrichtung regelmäßiger Postfahrten mußte der Verkehr auf der Straße Zwickau–Platten–Lichtenstadt sehr bedeutend gewesen sein. Otto Ed. Schmidt berichtet im 5. Bd. seiner „Kursächsischen Streifzüge”, daß der Warenzoll, den die Stadt Zwickau aus dem Handelsverkehr auf der erwähnten Straße zog, bereits im Jahre 1118 15 Pfd. Silber jährlich betragen hat.

Ein anderer, vielleicht sehr alter Paß führte von Eibenstock über Wildenthal nach Frühbuß. Schurtz und andere leiten den Namen von einem tschechischen Wort prevoz, Übergang, her, ähnlich wie Priebus, Triebel, Prebischtor. Dem gegenüber aber muß betont werden, daß das eigentliche, höhere Erzgebirge fast ausschließlich von Deutschen urbar gemacht und besiedelt worden ist. Es ist also nicht recht einzusehen, wie hier ein tschechischer Name vorhanden sein soll. Hemleben und andere bringen daher das Wort Frühbuß mit einem deutschen Namen Fridubodo in Verbindung. Sei dem, wie es wolle – eine hervorragende Bedeutung hat der Paß nie besessen.
Zum Schluß noch ein Wort über die westlichste Paßstraße des Erzgebirges, über die Straße Schöneck–Graslitz–Falkenau–Eger. Sie folgt als einzige dem Laufe eines Flusses, der Zwota, und gestattet darum auch ein müheloses Überschreiten des Gebirges. Freilich scheint ihr die kürzere Straße von Eger über Franzensbad–Brambach–Adorf–Vogtland meist vorgezogen worden zu sein, eine Erfahrung, die ihre Anwohner in kriegerischen Zeitläuften gewiß nicht ungern gemacht haben werden.
Das sind die wichtigsten und ältesten Übergänge über unser Erzgebirge. Die wachsenden Beziehungen in Handel und Verkehr zwischen Sachsen und Böhmen haben manch andere, kunstvollere und bequemere Straße im Laufe der Zeit hinzugefügt; aber trotzdem sind sie zum Teil auch heute noch die Trägerinnen des Hauptverkehrs und werden es bleiben. Und wie in den Alpen die länderverbindenden Eisenschienen den alten Paßstraßen folgen, so benützen auch die fünf Bahnen, die das Erzgebirge von Norden nach Süden überspannen, die alten Pässe, ein Beweis, daß der Verkehr übers Gebirge schon von altersher die günstigsten Übergänge gesucht und gefunden hat.
- Vergleiche auch die „Salzstraße”, die „Alte Salzstraße”, die „Hohe Salzstraße”, die sämtlich nördlich an Leipzig vorüberführen. ↩︎
- Bönhoff, Erzgeb. Kriegschronik, nach dem Originale der „Deutschen Kriegschronik” Magister Christian Lehmanns. ↩︎
- Hemleben, Pässe des Erzgebirges, S. 30. ↩︎
- Hemleben, S. 76. ↩︎
- Schurtz, die Pässe des Erzgebirges, S. 28. ↩︎
- Dorf nördlich von Komotau. ↩︎
- Otto Eduard Schmidt, die ältesten Steindenkmäler Sachsens, in Heft 7/8 vom Bd. XIII der Mitteilungen des Landesverbandes Sächs. Heimatschutz, Seite 312. ↩︎
- Krebs, im Kalender fürs Erzgebirge 1915. ↩︎
- Schlammerde (Mutstecher = Torfstecher). ↩︎