Aus der Wirtschaftsgeschichte der alten Herrschaft Schwarzenberg.

Illustrierte Wochenbeilage der „Obererzgebirgischen Zeitung“. Nr. 1. — Neujahr 1930, S. 1

Ueber dieses heimatkundliche Thema sprach im Wissenschaftlichen Verein zu Schwarzenberg der hiesige in weiten Kreisen bestbekannte Heimatforscher Oberstudiendirektor Dr. Fröbe.

Da die Stadt Schwarzenberg sehr viel Brände zu erleiden hatte und das Aktenmaterial so gut wie völlig vernichtet wurde, gestaltete sich von jeher eine Erforschung der Stadt- und Herrschaftsgeschichte von Schwarzenberg außerordentlich schwierig. Um so mehr sind die Verdienste des Vortragenden nicht nur zur Förderung der Forschung, sondern auch der Heimattradition und des Heimatschrifttums zu würdigen, der nach langjähriger mühevoller wissenschaftlicher Kleinarbeit Neuland auf diesem Gebiete erschlossen hat. Bekanntlich ist aus seiner Feder das ausgezeichnete Werk „Die Geschichte der Stadt Schwarzenberg“ bereits hervorgegangen. Die wirtschaftskundigen Forschungen und Ergebnisse fußen nun wesentlich auf gewissenhaft geführten Eintragungen alter Rechnungsbücher, die noch erhalten geblieben sind. Dem Vortrage ist folgendes zu entnehmen.

Die letzten Besitzer der Herrschaft Schwarzenberg war das Geschlecht von Tettau. Diesem kaufte Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige die Herrschaft vor allem des ergiebigen Bergbaues halber im Jahre 1533 ab. Von dieser Zeit ab leitete ein auf dem Schlosse wohnender Amtmann die Geschäfte, und dieser mußte alljährlich im kurfürstlichen Hoflager gewissenhaft Rechnung ablegen.

Eine wichtige Bedeutung für die Herrschaft hatte das Bauerntum. Jederzeit hatte die jeweilige Herrschaft eine vollkommene Wirtschaftsmonopolstellung, denn gerade der Bergbau, ferner Wald, Land und Wasser und alles sonst Nutzbare war im Besitze der Herrschaft. Den Begriff Privateigentum gab es noch nicht. Die unfreien Bauern, deren pflichtgemäße Abgaben an die Herrschaft seit altersher in Naturalien und rund von 1500 an in Geld erfolgten, wurden zu schweren Frondiensten herangezogen.

Die Wirtschaftsgeschichte der alten Herrschaft Schwarzenberg ist nicht zu verstehen ohne die Besiedelungsgeschichte. Zur Gründungszeit der Burg und der Stadt, die in die Mitte des 12. Jahrhunderts fällt, gab es keinerlei Siedlung, sondern nur ausgedehnten Urwald im späteren Siedlungsgebiet. Bekanntlich drangen dann an den Flüssen Mulde und Schwarzwasser entlang Trupps von fränkischen Ansiedlern vom Fichtelgebirge hervor. Nachdem die Burg Schutz gewähren konnte und eine Paßstraße da war, wurde der Strom der Zuwanderer noch mehr angelockt zur Besiedelung. Das gesamte Besiedelungsland wurde sehr zeitig in „Acker“ geteilt und den Siedlern und auch der Kirche zugewiesen. Die Abmessung des Landes ist so gründlich wohldurchdacht geschehen, daß wir heute unsere Bewunderung aussprechen müssen. Alles Herrengut der Herrschaft wurde von den Frondörfern bearbeitet. Dieses geschah auf Grund eines bestimmten Dienstverhältnisses, das „Eid“ genannt wurde. Vom Fronzwang befreit waren nur die Richter. Eingehend behandelt wurde die Bebauung des Landes. Angebaut wurden in der Hauptsache Hafer, Roggen und auch sehr viel Hopfen. Der Wald war die Hauptquelle an Einnahmen für die Herrschaft, da der Ackerbau in dieser Gebirgsgegend nicht ertragreich seinn konnte. Der damalige Wald war zum großen Teile Mischwaldbestand, in dem außer der Eiche alle wichtigen Laubbäume vertreten waren und somit reiche Erträge einbrachten. Jedes Jahr wurde zwischen Fastnacht und Ostern eine riesige Menge Holz geschlagen, zu großen Haufen an den Flüssen aufgeschichtet und stromabwärts geflößt. (Siehe Flößerbetrieb auch im alten Schwarzenberg!) An Berufen kamen außer den Flößern hauptsächlich die Holzfäller, Köhler, Harzer und Pecher in Frage. Wichtig war, daß die Entnahme des Bauholzes vollkommen frei war. Die Tettaus hatten mit ihren Waldungen viel Raubbau getrieben. Später aber kamen strenge Waldordnungen auf, sodaß eine geregelte Holzwirtschaft entstehen konnte. Kurfürst Moritz und „Vater August“ vor allem sorgten für strenge Regelung. Genau so streng mußten unter ihnen die Jagdgesetze eingehalten werden. Grausame Strafen ereilten den, der sich Wildfrevel zu schulden kommen ließ. Da damit für die Dörfler immer mehr ein Entzug der Jagdrechte Hand in Hand ging, entstand nach und nach ein unauslöschlicher Haß der Dorfbewohner gegen die Herrschaft, denn den Bauern erwuchs auf ihren Feldern großer Wildschaden. Die Gestalt Karl Stülpners, sein Verhalten und seine Volkstümlichkeit bei den Bauern ist aus den Verhältnissen jener Zeitläufte heraus durchaus zu erklären. Die Jagdbeute war damals gewaltig. Rotwild gab es außerordentlich viel. Im Schlosse sind viele Geweihe als Zeugen dieser alten Jagdzeit zu finden. Eber, Bären und Wölfe wurden ebenfalls erlegt, und zur Wolfsjagd waren alle Ansiedler geradezu verpflichtet.

Auch über den ehemaligen Fischreichtum wissen die alten Amtsrechnungen reichlich Aufschluß zu geben. Forellen zum Beispiel gab es in den damals wasserreichen Bächen in ersaunlicher Anzahl. Der Herrschaft stand allein das Fischereirecht zu. Es gab Landfischereimeister, die von der Herrschaft angestellt waren und die Durchführung der Fischereivorschriften auf das strengste überwachten. Die wirtschaftliche Struktur der alten Herrschaft Schwarzenberg war jedenfalls so, daß der Ausdruck vom „gänzlich verarmten Erzgebirge“ damals nicht zu Recht bestand. Daß sich das Wirtschaftsbild, natürlich nicht zugunsten der Bevölkerung, einmal ändern mußte, liegt an den Faktoren der allmählichen Erschöpfung der Erzschätze, der fortschreitenden und sich immer mehr entwickelnden Industrialisierung und der zunehmenden Bevölkerungszahl.