Vom Kirchturm zu Elterlein.
Erzgebirgische Heimatblätter. Beilage der Obererzgebirgischen Zeitung. Nr. 42. — Sonntag, den 12. Oktober 1930, S. 1 – 2.
Der die Elterleiner Kirche wirkungsvoll schmückende und weithin von allen Himmelsrichtungen sichtbare Kirchturm muß neu eingedeckt werden.

Der jetzige Kirchturm steht seit dem Jahre 1891 und wurde am 21. Oktober jenes Jahres geweiht. Der vorherige Kirchturm befand sich nicht auf derselben Stelle, sondern an der Nordostseite. Die Kirche und der alte Turm haben seit der Zeit ihres Bestehens vieles erfahren und haben durch Stürme, Brände, Blitzschläge und Wetterschäden außen und innen viel zu leiden gehabt. Der Grund zum jetzigen Gotteshaus und alten Turm wurde nach dem großen Brande im Jahre 1481 gelegt. Der Turm war ca. 47 Meter hoch und bestand aus einem 14 Meter hohen viereckigen Unterbau, einem 8 Meter hohen achteckigen Oberbau und aus einem sogenannten Zwiebeldach, dessen Ober- und Unterbau zusammen Souterrain und 5 Stockwerke enthielt, wovon das oberste als Glockenboden benutzt wurde. Der Turm wurde 1886 wegen seiner Baufälligkeit abgetragen, und der letzte Ueberrest ist erst noch vor einigen Jahren beseitigt worden. Die Verhandlungen wegen der Errichtung eines neuen Turmes verzögerten sich bis 1889.

Am 29. August desselben Jahres wurde der erste Spatenstich zum Grunde des neuen Turmes ausgeführt und am 29. September der Grundstein gelegt. An dem nunmehr 39 Jahre bestehenden Kirchturm sind außer Reparaturarbeiten am Schieferdach noch keine weiteren nennenswerte Ausbesserungen notwendig gewesen. Eine größere Ausbesserung des Schieferdaches fand bereits einmal im Jahre 1922 statt. Die Arbeiten wurden damals unter Verwendung eines sogenannten Dachdeckerstuhls vorgenommen. Die jetzige Neueindeckung ist nicht mehr aufschiebbar und ist zu einer unbedingten Notwendigkeit geworden. Eine Verzögerung über den Winter hinaus würde den gegenwärtigen Zustand bedeutend verschlechtern. Die bereits teilweise festzustellende Fäulnis am Holzfachwerk würde dann eine weit umfangreichere Ausbesserung erfordern, als es jetzt der Fall ist. In den letzten Jahren lösten sich von dem Dach immer mehr Schiefer. Die Loslösung der Schiefer ist nun nicht etwa auf die Witterung und die heftigen Stürme zurückzuführen, sondern auf die bei der erstmaligen Eindachung zur Verwendung gekommenen Nägel. Es wurden damals von dem ausführenden Schieferdeckermeister (von auswärts) keine Kupfernägel verwendet. Die Nägel sind schon durchgerostet und halten den Schiefer nicht mehr, insbesondere bei windigem Wetter. Der Schiefer selbst ist noch sehr gut und besitzt eine Haltbarkeit auf Jahrzehnte. Trotz der auch bei der Kirchgemeinde angespannten Geldlage mußte man der Dringlichkeit wegen sich zu der Ausführung doch entschließen, da eine spätere Instandsetzung weit mehr Mittel erfordern würde. Bei den Beratungen wurde auch die Eindeckung des Turmes in Kupferdach erörtert. Von dieser Ausführung mußte man jedoch der Mehrkosten wegen zurzeit absehen, obwohl diese Ausführung einen längeren Bestand als sonst hätte. Das Dach wird daher wieder mit Schieferdach versehen. Da die mit großen Gefahren verbundenen Arbeiten an dem 57 Meter steil emporstrebenden Turm und die auch außerordentlich gefahrvolle Transportierung des Materials nicht mit Hilfe von Leitern und sonstigen Dachdeckerrüstungen ausgeführt werden können, machte sich die Aufstellung eines Baugerüstes notwendig. Unter der Leitung des ausführenden Baumeisters Franz Behr, Elterlein-Zwönitz, regten sich fleißige und umsichtige Hände und dank bester Organisation wurde in einer Woche das erforderliche Gerüst errichtet. Überraschend schnell wuchs das Gerüst von Tag zu Tag und erst jetzt läßt sich der schwierige und meisterhaft geschaffene Bau voll erkennen und löst bei den zahlreichen Beschauern großes und berechtigtes Erstaunen aus. Durch die außergewöhnliche Höhe und Eigenart des Turmes mit seinem Rundgang und den vier Ziertürmchen gestaltete sich die Rüstung besonders schwierig. Mittels eines elektrischen Aufzugs wird das Rüstzeug und Schiefermaterial nach oben befördert. Die Schieferdeckerarbeiten werden von dem Elterleiner Schieferdeckermeister Albin Georgi in Gemeinschaft mit seinem Sohn und Schwiegersohn ausgeführt.

Wünschen wir, daß die Eindeckungs- und Abrüstungs-Arbeiten auch so glücklich in dieser schwindelnden Höhe vonstatten gehen mögen, als es bei der Rüstung der Fall war, ohne daß sich ein Unfall ereignete.
Bei den Ausbesserungsarbeiten im Jahre 1922 war bedauerlicherweise ein Todesfall zu verzeichnen. Damals stürzte der Schieferdecker Hermann Georgi bei der Reparatur des Turmes aus einer Höhe von 35 Metern in die Tiefe. Der Tod trat sofort ein. Das Schicksal Georgis war umso tragischer, als die Arbeiten am Turm bereits beendet waren und die Abrüstung nun erfolgte, wobei das Unglück geschah.