Kultur und Heimat Kreis Annaberg. 6. Jahrgang. Juni 1959. S. 90 – 91.
Im Augustheft 1957 dieser Zeitschrift spricht Helmut Breitung von der Undurchsichtigkeit der Berichte über die Belagerung Annabergs 1547 durch das Stadtkind Wilhelm Thumshirn. Wir haben von dem Vorgang überhaupt nur recht wenig Nachrichten. Der Stadtchronist Paul Jhenisch ist sehr vorsichtig. Fast 150 Jahre später erst bringt uns Christian Lehmann in seiner „Kriegschronik“ den Text: „… mußten sie sich ergeben auf folgende puncta:
- Der Rath, Gemeine und alle Bürger, auch das Bergampt sollten bey ihrer Gerechtigkeit und Bergfreiheit gelaßen und erhalten werden.
- Niemandt auß der Stadt solte gezwungen werden wieder ihren Hertzog ins Feld zu ziehen,
- sondern jedermann vergonstigt sein, wer da wolte, das seine zu verkaufen und aus der Stadt zu ziehen.
- Die Bürgerschaft solte mit einquartierung, schazung und ufflagen verschont bleiben.
Das wurde nicht gehalten, sondern musten 300 zu fuß in die Quartier nehmen und 5000 gulden brandschazung geben. Über dies wurde das Haus Hans Hünerkopfs geplündert, und auch ein Soldat drüber erstochen, und wehre mehr Unglück gestiftet worden, wo sie nicht einen Galgen uffn Markt hetten gebauet.“
Der genannte Hans Hünerkopf kommt aber nirgends als Hausbesitzer vor. Nur im 6. Garten-Lehnbuch tritt er 1576 auf als Herr von Plaussigk (bei Leipzig!). Er verzichtet dort auf seinen „gebürenden und väterlichen anerben dritten Teil an dem freyen Wohnhause am Markte mit aller desselben zugehörenden gerechtigkeit“.
Dieses Haus war von seinem Vater Wolf Hünerkopf 1534 erkauft und ist uns unter dem Namen „Wilder Mann“ geläufig. Es war vorher ein Besitz der Thumshirne. Dadurch erscheint seine Plünderung als eine persönliche Auseinandersetzung zwischen beiden Familien, wie auch A. Schuster im Silbernen Erzgebirge I S. 154 vermutet. Doch lagen die Dinge anders. Die Besitzverhältnisse des Hauses sind auf den ersten Blick zunächst verworren, da das Hauslehnbuch für diese Zeit eine Lücke von ca. 70 Jahren aufweist. Reiche-Eisenstuck geht in seiner Arbeit: Die Belagerung Annabergs i. J. 1547 (Rückblicke III, S. 107) überhaupt nicht auf die Angelegenheit ein.
Über den obengenannten Hans Hünerkopf ist in Annaberg nichts aufzufinden. Nur das 1945 in Dresden verloren gegangene Mscr. Q 127 der Landesbücherei enthielt für das Jahr 1518 die Notiz: Magister Wolff v. Elterlein, unser Pfarrherr kümbt mit seinen zween Caplänen, Herrn Wolff Zugemies und Herrn Moritz in Zwiespalt wegen ihrer Trunkenheit, darumb Herr Moritz von Hanß Hünerkopf erstochen … es weiß aber noch niemandt, wie die Sache vertragen worden …“
Da nach dem damaligen Brauche sich kein Totschläger in der Bergstadt aufhalten durfte, ist Hans Hünerkopf hier verschwunden. Er wird aber von Lehmann genannt, da er ja das Haus z. T. mitbesaß.
1604 brannte das Haus beim großen Stadtbrande mit ab. Die Ruine wurde von dem Bürgermeister Balthasar Zickler (der bis dahin den ebenfalls weggebrannten Gasthof zum Einhorn besessen hatte) erworben. Bei den Verhandlungen tritt das Haus als „Freihaus“ auf. Es gehörte ja den adligen Hünerkopfs und stand nicht mehr unter dem Stadtgericht, sondern unter der direkten Verwaltung der fürstlichen Kammer. Dem Kaufeintrag ist deshalb die Abschrift einer fürstlichen Bewilligung beigefügt, in der ausdrücklich betont wird, daß das Haus von nun an wieder „in Erbe“ unter der Gerichtsbarkeit der Stadt gehe.
Das ist 1609. Deshalb ist das Haus um 1547 als ein direktes fürstliches Lehn zu werten. Lehmanns Nachricht läßt nun die Möglichkeit offen, daß die damalige Verhandlung mit Wilhelm Thumshirn nur die städtischen Belange einschloß. Das Haus fiel nicht darunter, da es unter der Botmäßigkeit des Fürsten stand, den er ja bekämpfte. Es war für ihn „gute Prise“, wie das Kriegsrecht bis heute sagt. Hatte man im Rate die Sachlage versehen? Jedenfalls bedeutete hinterher die Plünderung des fürstlichen Hauses für den regierenden Bürgermeister Caspar Kürschner und die beiden Ratsherren Valentin Beier und Hans Staffel eine zusätzliche Belastung. Der Besitzer Hünerkopf hat wohl auch etwas geschürt. (?)
Da der Bruder Steffan Hünerkopf auf Wiesa Mitbesitzer und schließlich Alleinbesitzer des Hauses war, könnten vielleicht die Rittergutsakten von Wiesa weitere Auskunft geben; leider sind sie zur Zeit wegen Ablieferung nicht greifbar.
Hermann Lange, Annaberg-Buchholz