Zur Geschichte des Buchdrucks in Annaberg

Eine Nachlese zur Arbeit von Dr. Siegfried Sieber in „Kultur und Heimat“ Februar 1958

Kultur und Heimat Kreis Annaberg. 6. Jahrgang. April 1959. S. 54 – 55.

Vor Errichtung von Druckereien im Erzgebirge waren besonders die Städte Nürnberg, Augsburg, Basel, Erfurt und Leipzig Druckorte. So wurden die Werke von Adam Ries und seinen Söhnen vornehmlich in Erfurt und Leipzig gedruckt. (Erstdrucke.) Dr. Sieber zeichnet ein paar Schriften auf, die von dem bedeutenden Melchior Lotter in Leipzig gedruckt wurden. Dazu gehört auch die 1530 dort erschienene „Fewer Ordenung der Stadt sanct Annenberg“. Es dürfte die erste Feuerordnung Annabergs nach dem ersten größeren Brand vom Jahre 1529 gewesen sein. 1536 erschien in dieser Offizin die Schrift von Adam Ries „Ein Gerechnet Büchlein / auff den Schöffel / Eimer / vnd Pfundtgewicht / zu ehren einem Erbarn Rathe auff Sanct Annenbergk“. Der Drucker war sicher der Sohn Lotters, Melchior Lotter der Jüngere.

Von dem erwähnten Zwickauer Drucker Wolfgang Meyerpeck weiß ich zu berichten, daß er wegen eines von ihm gedruckten Schmähgedichtes gegen den Kurfürsten Moritz in Untersuchung kam.

Zu dem Annaberger Drucker Nicolaus Günther, der auch einen Buchhandel betrieb, ist nachzutragen, daß er seine Druckerei in dem Grundstück Große Kirchgasse 4 betrieb. Hier erschien 1542 die Schrift des berühmten Joachim Camerarius über Aesops Fabeln, bearbeitet für die Annaberger Lateinschule. Camerarius, der bedeutendste deutsche Philolog des 16. Jahrhunderts, hatte 1524 die neue Stadt am Schreckenberg besucht und ihr zum Lobe ein schönes „Carmen“ (Gedicht) gewidmet.

Die Gelehrten der damaligen Zeit schrieben fast ausschließlich in Latein und ließen auch so drucken, manche bevorzugten griechisch. Das Hinneigen zu Latein und Griechisch war ein Kennzeichen des stärker aufkommenden Humanismus.

Nach der Chronik des Jenisius muß auch nach Günthers Wirken eine Druckerei in Annaberg bestanden haben.

Der von Dr. Sieber erwähnte Dichter Michael Barth war Professor und Rektor der Universität Leipzig und als Sohn eines Berggeschworenen in Annaberg geboren.

Die bei Georg Steinmetz 1565 erschienene Schrift von einem Wolkenbruch in der Annaberger Gegend war sicher eine Flugschrift, wie sie damals beliebt waren. Die Flugschrift, die „newe Zeytung“, also eine Nachricht, eine Kunde, war ein bewährtes Mittel, die Menschen zu unterrichten. Wir wissen, daß sie auch Thomas Müntzer verwendete. Oft waren es aber die abgeschmacktesten Dinge, wie Mißgeburten, Gespenstererscheinungen, Teufels- und Krankheitsgeschichten oder Himmelzeichen, die darin, vermischt mit viel Aberglauben, ihre Darstellung fanden. So erschien 1697, wahrscheinlich von Viktorin Richter gedruckt, eine solche Flugschrift über drei schauerliche Wunderzeichen und von einer „sehr ungestalten Fontange-Mißgeburt in dem Städtlein Buchholtz“. Oft waren diese „Tractätlein“ mit einem Holzschnitt versehen. Noch zu Aug. Valentin Frieses Zeiten erschienen solche Mitteilungsdrucke, so 1758 die „umständliche Nachricht von einem ungewöhnlichen Wirbel-Wind und Winds-Braut …, welche in Frohnau ietz laufenden Jahrs entstanden“.

1590 wurde die Hofbuchdruckerei für eine kurze Zeit von Dresden nach Annaberg verlegt. In Pestzeiten waren solche Verlegungen nichts Seltenes.

Bei dem von Dr. Sieber genannten David Nicolai kam weiter zum Druck die Jahrmarktspredigt in Thum von Johann Meier. Der Titel dieser Schrift ist, nach der damaligen Mode, „nur“ 39 Zeilen lang. Die Schrift des Ennoch Zobel, in dessen Haus die Gespenstergeschichte passiert war, die viel Staub aufwirbelte und viel Druckpapier verbrauchte, ist nicht in Annaberg bei Nicolai, sondern 1692 in Leipzig bei Fried. Lankische Erben zum Druck gekommen. Dagegen erschienen in Annaberg 1679 und 1680 jeweils die „Regiments-Schnur“ bei Einweisung des neuen Ratsvorstandes. Der Verfasser war Doktor der Rechte und Syndikus in Annaberg Martini.

Auch in der Offizin von Joh. Viktorin Richter kamen eine Anzahl kleinerer, meist lateinischer Schriften zum Druck, die weder in Stehles „Chronikalischen Nachrichten“ noch bei Dr. Sieber verzeichnet sind.

In der Druckerei von Aug. Valentin Friese erschien 1730 eine „Actu dramatico“ von Joh. Friedrich Stübel. Auch von den Gensels, ferner von Christian Gottlob Wilisch und seinem Bruder Christian Friedrich Wilisch, wie auch von Christian Gottlieb Glöckner sind weitere Schriften erschienen, deren Titel wegen Raummangels nicht genannt werden können. Von dem Annaberger Rektor Adam Daniel Richter erschien eine ganze Reihe bisher in der Buchdruckergeschichte nicht genannter Schriften, so „Nachricht von den Aebten und Clöstern der Stadt Chemnitz“ (1742), über die Kirchengeschichte der Stadt Chemnitz (1743), „Religionsgeschichte der Stadt Annaberg“ (1755), „Nachricht von dem berühmten Geschlecht der Herren Mathesien“ (1755) (Richter hatte eine Mathesius zur Ehegattin), „Reformatio religionis Buchholzii“ (1756), „Zuverlässige Nachricht von den Annabergischen Münz- und Schmittemeistern, Stock- und Stempelschneidern, wie auch von den Annabergischen 1. Schreckenbergern“ (1759). Wahrscheinlich ist auch sein „Chronicon der Stadt Chemnitz“ zuerst in Annaberg erschienen.

Interessant ist, daß es schon zu Valentin Frieses Zeiten Lokalzensoren gab. So mußte Friese 1735 vor dem Superintendenten Hoffmann erscheinen, um den Buchdruckereid abzulegen. 1742 wurde er wegen einer Publikation wieder dorthin zitiert.

Der von Dr. Sieber erwähnte Herausgeber der ersten obererzgebirgischen Zeitschrift, Dr. med. Johann Christian Themel, war Besitzer der Apotheke in Annaberg.

Bei dem jüngeren Friese erschien 1773 des Doktors und Physikus Friedrich Gottlieb Hiebner eigenartige Schrift „Historische Nachricht von einer siebenjährigen Leibesfrucht“.

Das 17. und 18. Jahrhundert ist in künstlerisch-literarischer Beziehung von geringer Bedeutung im erzgebirgischen Raum. Das 17. Jahrhundert kann man beinahe als das der „Leichenpredigten“ bezeichnen. Wenn man die Druckwerke dieser Epoche überschaut, mit ihren Flugschriften, Schulprogrammen, Ausbeutzetteln und den Hauptthemen der kirchlichen, chronistischen und philologischen Schriften, so muten sie uns verstaubt und kleinbürgerlich an, und doch sind sie ein gewaltiger Schritt vorwärts. Sie beweisen die ökonomische Kraft des Humanismus und des aufstrebenden Bürgertums gegenüber den mittelalterlichen feudalen Kräften. Dramatischer und revolutionärer ist allerdings das 19. Jahrhundert.

Erich Lorenz, Annaberg-Buchholz