Ein ideales Jugendheim im Erzgebirge

Das Jugendheim des Gaues „Freistaat Sachsen“ im G D A.

Erzgebirgische Heimatblätter. Beilage der Obererzgebirgischen Zeitung. Nr. 5. — Sonntag, den 26. Januar 1930, S. 1.

Verträumt, malerisch, dem Leben und Treiben der hastenden Welt entrissen, liegt einsam, unweit Grünhain inmitten vom saftigen Grün der Waldungen des Erzgebirges ein neues schönes Landjugendheim. Es ist wieder ein Schritt vorwärts im großen Erdenwandern, ein Baustein mehr in der Kulturarbeit des G D A., dessen „Freistaat Sachsen“ es errichtet hat. Kein Opfer ist ihm zu groß, wenn es gilt, für die wirtschaftlichen und geistigen Interessen seiner Mitglieder etwas zu schaffen. Große Opferfreudigkeit paart sich mit vieler fleißiger Arbeit. Sind doch viele Vorbereitungen finanzieller, organisatorischer, ferner architektonischer und bautechnischer Art zu leisten, ehe ein solch stattlicher Bau vollendet ist. Die Jugendherbergen und –heime sind heute das Symbol der bewährten Jugendpflege. Man kann sich die heutige Jugend nicht mehr recht vorstellen ohne diese schönen Einrichtungen. Leider gibt es noch so unendlich viele Jugendliche, die der Jugendbewegung fern stehen, ja sogar Jugendliche und Eltern, die noch nicht einmal etwas wissen von diesen herrlichen Heimen. Die Jugend will nicht nur schöne Worte hören, von denen sie begeistert und berauscht sind, sie will Taten sehen, von denen sie mitgerissen wird. Mag daher unsere Jugend dieses Heim hinnehmen, als einen sichtbaren Beweis, als eine Tat edelster Gesinnung und jugendlichen Geistes der älteren und alten Berufskollegen. Soll doch unsere Jugend, unsere Berufsanwärter ertüchtigt werden an Leib und Seele, damit sie den Aufgaben der Gesellschaft des Staates, der Industrie und Wirtschaft gewachsen ist. Es ist heiligste Pflicht, sie in die Kulturprozesse einzuführen, damit sie die ganze Kulturentwicklung ein beträchtliches Stück fördern und höher tragen helfen kann. Unsere Jugend wird dann auch das schöne Dichterwort verstehen lernen: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.“

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Das Jugendheim in Grünhain im Erzgebirge.

Das Jugendheim soll vorwiegend der inneren Beschaulichkeit und Einkehr unserer Jugend dienen, es soll eine Stätte der Erholung sein. Unsere Jugend hat noch eine unverdorbene und gesunde Seele, sie hat einen frischen bildungs- und aufnahmefähigen Geist. Darum heraus mit diesen jungen Kräften aus den Gefahren unseres täglichen Lebens und der Großstadt, hinein in die schöne, frische Natur, die uns eine Befruchtung für das ganze Leben gibt. Der Aufenthalt in dem Heime soll ihnen allen eine „schöpferische Atempause“ geben, indem sie inmitten der herrlichen Naturpracht einen kleinen Hauch der großen Ewigkeit verspüren. Der Wandertrieb ist ein Merkmal unserer heutigen Jugend. Zum Wandern gehört ein „offenes Auge“, ein andauernder Fuß und ein heiterer Sinn, alles Eigenschaften, die an der Jugend nur zu begrüßen sind. Die wandernde Jugend bietet in Muße Auge und Ohr den Naturschönheiten, Burgen, Schlössern und Kunststätten und erweckt somit in sich ein wahres Naturgefühl. Dieses Naturgefühl entwickelt sich dann von einem Wohlgefühl aufwärts zur Wanderlust. Und weiter entwickelt es sich zu ästhetischer Freude an der Natur, an der Welt. Der junge Mensch wird fortgerissen, er erlebt eine seelische Selbstvergessenheit, bei der er den Kleinkram des Alltags vergißt und ohne Sorgen die Naturschönheiten genießt. Es bildet sich ein Naturempfinden heraus, das sich dann an unseren großen Dichtern und ihren unsterblichen Werken emporranken kann. Aber diese innere sittliche Erhebung bildet sich nur in der Einsamkeit und darum diese Anziehungskraft des Waldes und der Berge mit ihren stillen Tälern auf die Jugend.

Die Jugendherberge Grünhain des G D A. bietet im Regelfalle eine Unterkunft für 100 Jugendliche, die in kleineren und größeren Schlafräumen untergebracht werden. Selbstverständlich sind Jungens und Mädels außer im Aufenthaltsraum, der Gemeinschaftsraum ist, getrennt untergebracht. Das Jugendheim steht der gesamten wandernden deutschen Jugend zur Verfügung. Im Kellergeschoß befindet sich die Warmwasserheizung, die Badeeinrichtungen wie: Wannen-, Brause- und Fußbadeanlagen. Sämtliche Räume im Heim sind mit Heizkörpern versehen und besitzen Leitungen für fließendes warmes und kaltes Wasser. Zum Trocknen der nassen Kleidungsstücke ist hier eine Trockenanlage eingebaut. Das Erdgeschoß bietet aus den Fenstern des Tagesraumes einen wunderbaren Fernblick, so daß man am fernen Horizonte die Kuppen des Fichtelgebirges sieht. Zu begrüßen ist es, daß die Möglichkeit besteht, sich eine „Extrawurst zu braten“, und zwar in der isoliert eingebauten Selbstkochküche. Im ersten Stock befinden sich die Schlafräume und Klosettanlagen. Für Aufbewahrung der Ausrüstungs- und Kleidungsgegenstände dienen die verschließbaren, zum Teil eingebauten Schränke. Der Spitzboden ist ausgebaut und kann für Massenquartiere hergerichtet werden.

Alle sanitären Anlagen entsprechen dem modernsten Stande der Technik. Es ist ein wohlgelungener Bau, mit einer geradezu raffinierten Raumverteilung, selbst für einen Erweiterungsbau hat man Sorge getragen. Das Heim ist architektonisch den erzgebirgischen Verhältnissen angepaßt. Möbel und Ausstattungsgegenstände sind der einheimischen Industrie entsprungen. Es liegt inmitten einer kleinen parkähnlichen Anlage, in der auch ein schöner großer Sportplatz hergerichtet wird. — Man merkt, daß sich alles dem Grundsatz unterordnet: „Für unsere liebe Jugend ist das Beste gerade noch gut genug“, denn Jugendnot ist ja auch Volksnot!