Erzgebirgische Heimatblätter. Beilage der Obererzgebirgischen Zeitung. Nr. 21. — Sonntag, den 18. Mai 1930, S. 1
Dort, wo einst zur Römerzeit Urwälder sich erstreckten, die man gemeiniglich mit dem Namen „herzynische Wälder“ nannte und wo dann die Kulturarbeit vieler Jahrhunderte dazu nötig war, jene Wälder zu lichten, Kolonien anzulegen, sowie Handel und Wandel in Schwung zu bringen, dort steht heute das industriefleißige Weipert. Das erste rege Leben, das sich später dann dort entfaltete, war eine Folge des Bergbaues, der auch hier zu einem wichtigen Erwerbszweig wurde. Die Gründung und älteste Geschichte der Stadt ist in tiefes undurchdringliches Dunkel gehüllt, läßt sich aber bis ins 12. Jahrhundert zurückführen. Die Stadt liegt an einem seit altersher viel begangenen und befahrenen Paßwege, der im Mittelalter als Verbindungslinie zwischen Sachsen und Böhmen von großer Wichtigkeit war. Jene alte Straße zog sich von der Grenzburg Kaaden, die schon zu Anfang des 9. Jahrhunderts bestand und hauptsächlich zum Schutze des Preßnitzer Passes angelegt war, über Brunnersdorf, Wohlau, Schönbach, Preßnitz, Kühberg, Sehma, Schlettau, Frohnau, Zwönitz und Zschopau nach Chemnitz. Eine zweite Straße führte von Schwarzenberg über Scheibenberg nach Weipert. Noch heute kann man diesen Straßenzug aus den alten Hohlwegen erkennen und verfolgen, wie sie in Niederschlag zum Beispiel anzutreffen sind.

Die Wiege von Weipert hat offenbar dort gestanden, wo sich die tiefste Talsenkung befindet, die der Paß über das Gebirge zu überwinden hatte, da also, wo jetzt noch vom Hause Nr. 3 bis zum Blechhammer ein Hohlweg von etwa 3½ Klafter Breite im festen Gestein ausgefahren ist. Hier wird an der Grenzbrücke der erste Bewohner Weiperts sich angesiedelt und sein Heim in dieser öden, damals trostlosen Gegend aufgeschlagen haben. An dieser Stelle mußte der Frächter, kam er nun von Sachsen oder Böhmen, Rast machen, denn er hatte nach der Richtung von Preßnitz, wie von Schlettau eine steile Höhe vor sich, die er nur durch Vorspann überwinden konnte. Hier hat offenbar auch eine Herberge gestanden. Lange wird dieses Wirtshaus einsam gestanden und nur Wölfe und Bären zum Nachbarn gehabt haben. Die Sage hat jene Herberge in eine Räuberhöhle verwandelt, in die Reisende durch eine Falltür in einen Keller stürzten, dort ermordet und begraben wurden, bis endlich eine Dienstmagd die Zustände aufdeckte, worauf das Haus von Soldaten aus Kaaden umringt und samt den Bewohnern niedergebrannt wurde. Diese Sage scheint eine Bestätigung darin zu finden, daß bei dem Umbau des Gebäudes zahlreiche Totengebeine im Keller gefunden wurden. Auf jeden Fall wurde das abgebrannte Wirtshaus wieder aufgebaut.
Es kann nun angenommen werden, daß sich allmählich hier auch die zum Fuhrwesen gehörigen Gewerbe (Schmiede, Wagner usw.) diesseits und jenseits des Pöhlbaches angesiedelt haben, denen mit dem Aufblühen des Bergbaues neue Kolonisten folgten, die dann auch den Ort Kupferberg gründeten. Der Pöhlbach bildete damals noch nicht die Grenze von Böhmen, die sich selbst in späteren Jahrhunderten noch mannigfach änderte.
Wie aus der Chronik der Stadt weiter hervorgeht, gab es auch Eisenschmelzen und Hammerwerke, namentlich bei Sorgenthal und Pleyl, in jener Gegend. Auch Weipert besaß ein Hammerwerk, das lange vor den Husittenkriegen bestanden hat, wie aus einer Urkunde aus dem Jahre 1506 hervorgeht. Gleichzeitig mit den ersten Eisenschmelzen zwischen Sorgenthal und Pleyl entstand im heutigen Weipert eine zweite Ansiedlung in der Gegend, wo jetzt der Gasthof „Stadt Leipzig“ steht. Es war ein Hammerwerk. Wie dies zu dem Namen Weipert gekommen ist, ist historisch nicht festzustellen, doch ist anzunehmen, daß dieser Namen von einem deutschen Kolonisten Weyberth herrührt, der im 12. Jahrhundert dieses Werk anlegte. Da aber früher die Gepflogenheit bestand, den Bergwerken den Namen eines Heiligen zu geben, so ist auch anzunehmen, daß das Hammerwerk seinen Namen vom Abt von Fritzlar, den heiligen Wigpert, oder dem wegen seiner Riesenstärke bekannten Grafen Wiprecht von Groitzsch erhalten hat. Unter den Bildern, die aus den früheren Jahrhunderten von Weipert übrig geblieben sind, ist das obenstehende eines der interessantesten. Es zeigt die Ansiedelungen an der Schmiedeberger Straße mit ihren noch ziemlich zerstreuten Gebäuden.
Dieser Wiprecht, der auch Wypert genannt wird, erwarb sich die Gunst Kaiser Heinrich IV. und wurde Eidam des Böhmenkönigs Wratislaw II., erfuhr dann aber, nachdem er mannigfach 40 Jahre lang in die böhmischen Zustände eingegriffen hatte, den größten Wechsel des Schicksals. Nachdem er sich 1112 gegen den Kaiser empört hatte, wurde er zum Tode verurteilt und erst nach Hingabe aller seiner Güter freigelassen. Er beschloß sein Leben im Kloster zu Pegau.